TV-Tipp: "The Next Level"

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31. Januar, ARD, 22.20 Uhr
TV-Tipp: "The Next Level"
Im wahren Leben wäre der Vorfall bloß eine Notiz im Lokalteil wert: Amerikanische Touristin stirbt nach dem Besuch des angesagten Berliner Techno-Clubs "Reaktor" im Krankenhaus. Nicht so in dieser fesselnden Serie.

Todesursache war offenbar eine Ecstasy-Pille. Ermittelt wird jedoch nicht: Die Clubszene ist ein erheblicher Image-Faktor für die Stadt; die Polizei soll sich lieber um die Klein-Dealer in den Parks kümmern. Das Club-Management hat ebenfalls kein Interesse an negativen Schlagzeilen. Und so wäre das Ereignis zumindest aus Sicht der Behörden rasch wieder vergessen, hätte nicht eine Reporterin in der Klinik zufällig mitbekommen, wie ein junger Amerikaner um seine Frau trauert: Josh und Zofia haben vor einigen Monaten geheiratet. Im Verlauf ihrer Flitterwochen sind sie um die halbe Welt gereist, die deutsche Hauptstadt sollte der Höhepunkt sein, anschließend würde der berufliche Ernst des Lebens beginnen; das nächste Level. 

Berlin, heißt es im Epilog, ist keine Stadt der Liebe, und deshalb kann "The Next Level" auch keine Liebesgeschichte sein. Ein Krimi ist die Serie allerdings auch nicht, ebenso wenig ein Thriller. Trotzdem spielen diese Elemente eine Rolle, und das ist die große Kunst von Alexander Osang. Im "Spiegel" gehört er zu den wenigen, deren Namen nicht unter, sondern über den Artikeln stehen. Früher hieß das "Edelfeder": Thema egal, Hauptsache Osang. Seine erste Arbeit als Drehbuchautor seit der Adaption seines Romans "Die Nachrichten" (2005) ist eine Mischung aus doppeltem Beziehungsdrama, Eltern/Töchter-Momenten und ganz viel Berlin. Rückblenden rekonstruieren den Ablauf des Abends im "Reaktor"; das ist der Krimipart. Für die Polit-Thriller-Ebene sorgt ein viele Millionen schwerer Immobilien-Deal, der durch die Recherche der Reporterin gefährdet wird. Dass "The Next Level" 270 Minuten lang ununterbrochen fesselt, hat jedoch andere Gründe.

Jede gute Geschichte lebt vor allem von ihren Figuren. Für Serien dieser Art stimmt das erst recht; und Osang, der die biografischen Hintergründe der handelnden Personen angenehm beiläufig einstreut, hat gleich eine ganze Handvoll faszinierender und bestens besetzter Charaktere zu bieten. Lisa Vicari erweist sich wie schon als junge Polizistin in "Am Ende der Worte" (2022) als ausgezeichnete Wahl für die zentrale Rolle. Die letzte große Story von Rosa Bernhard, Reporterin bei der "Berliner Allgemeinen", hat zum Rücktritt eines Staatssekretärs geführt. Sie hat ihr nächstes Level längst erreicht, zahlt dafür jedoch einen hohen Preis: zu viel Arbeit, zu viel Alkohol, zu wenig Zeit für ihren Freund (Jerry Hoffmann).

Mark ist Mitarbeiter des Wirtschaftssenats und verantwortlich für eins der größten aktuellen Bauprojekte: Gegenüber vom "Reaktor" soll an der Spree ein Innovationszentrum entstehen. Eigentümer des Grundstücks wie auch des Clubs ist ein Unternehmer, dessen Rolle mit "schillernd" nur unzureichend beschrieben ist: Bodo Brenner (Jens Harzer), einst altlinker Bürgerrechtler, war in den Nachwendejahren maßgeblich am Ostberliner Ausverkauf beteiligt, ist vor dreißig Jahren nach New York gezogen und dort reich geworden. 

Regie führten Pia Strietmann und Julia Langhof. Strietmann hat zuletzt für die ARD "Herrhausen" (2024) gedreht. Die ARD-Miniserie bot eine ähnlich reizvolle Mischung aus Wirtschaftsdrama, Zeitgeschichte und Polit-Thriller. Die Beschreibung gilt im Grunde auch für "The Next Level", zumal viel Historie mitschwingt. Im Unterschied zu vielen anderen Berlin-Serien hatte Osang jedoch eher Abrechnung als Hommage im Sinn. Dafür steht nicht zuletzt der als "Insel der Freiheit" gepriesene Club, der mit seinem Stroboskoplicht wie einer der Höllenkreise aus Dantes "Inferno" anmutet. Die Filmmusik stammt von Martina Eisenreich und Michael Kadelbach, deren gemeinsame Kompositionen stets preiswürdig sind.

Sehenswert ist auch die dank häufiger Perspektivwechsel sehr aufwändige optische Umsetzung (Kamera: Jakub Bejnarowicz, Simon Dat Vu). Die Außenaufnahmen haben oft keinerlei Tiefenschärfe und sind an den Rändern leicht ausgefranst, was Berlin wie einen vergessenen Ort wirken lässt. Um sich ein vollständiges Bild zu machen, fliegt Rosa am Ende in die USA. Größer könnte der Kontrast kaum sein: New York erscheint als glitzernde Metropole, was die deutsche Hauptstadt noch heruntergekommener wirken lässt. Spätestens jetzt zeigt sich die ganze Komplexität der Handlung, als die Reporterin rausfindet, dass die Gegensätze zwischen Zofia und Josh ähnlich groß sind. Sie selbst wird ohnehin mehr und mehr Teil dieser Geschichte über Vertrauen und Verrat.