Kirche und Religion als Datensatz

Kirche und Religion als Datensatz
Ökumenischer Kirchenatlas zeigt kirchliches Leben in Deutschland
Eine neue digitale Plattform soll bei der Reform der Kirchen helfen. Der "Ökumenische Kirchenatlas" wurde gemeinsam von evangelischer und katholischer Kirche entwickelt und bietet Statistiken von der Taufe bis zur Bestattung - bis auf Kreisebene.

Hannover, Bonn (epd). Beide großen Kirchen in Deutschland haben die bislang umfassendsten Daten zur Kirchenmitgliedschaft ins Internet gestellt. Ein „Ökumenischer Kirchenatlas“ zeige bis auf die Ebene der Stadt- und Landkreise umfangreiche Statistiken über Taufen, Trauungen und Bestattungen, teilten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch mit. Die Plattform unter www.oekumenischer-kirchenatlas.de kann frei genutzt werden.

Auf Ebene der Stadt- und Landkreise könne zum Beispiel der Anteil der Religionszugehörigkeit an der Bevölkerung leicht und anschaulich ermittelt werden, sagte die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Beate Gilles, bei der Vorstellung: „Ziel ist es, geografisch differenzierte Einblicke zu ermöglichen und kirchliche Entwicklungen besser zu verstehen.“

Der Atlas basiere auf soziodemografischen, kirchenamtlichen und weiteren Daten und vervollständige den Auswertungsband zur 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU6), der Ende vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, hieß es weiter. Erste Ergebnisse und Kernaussagen wurden bereits Ende 2023 in Ulm auf der EKD-Synode vorgestellt. Die EKD führt seit 1972 alle zehn Jahre diese Untersuchung durch, um ein möglichst umfassendes Bild kirchlicher Wirklichkeit zu erhalten. Erstmals hatte sich die katholische Deutsche Bischofskonferenz daran beteiligt.

Der Auswertungsband biete Aspekte, die bislang nicht berücksichtigt wurden, aber aus kirchlicher Perspektive von hoher Relevanz seien, erklärte Tobias Kläden von der Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral. Dazu gehöre die soziale Frage: „Kirchliches Leben wird vornehmlich durch höher Gebildete geprägt, Menschen mit geringerer formaler Bildung kommen nur noch wenig vor.“ Zugespitzt könne man von einer „Kirche von oben“ sprechen, die sich bildungsbürgerlich verengt und eher an den gesellschaftlichen Eliten orientiert.

Auch andere Faktoren seien überraschend, sagte Edgar Wunder vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD. Das zeige sich zum Beispiel bei den Stadt-Land-Unterschieden, „die nur in Westdeutschland auftreten, aber nicht in Ostdeutschland“. In Westdeutschland sei es so, dass die ländlichen Regionen religiöser, kirchlicher sind als die Stadt und die großen Städte bei dem „Entkirchlichungsprozess voranschreiten. “In Ostdeutschland ist es nicht so, da finden wir diese Stadtlandunterschiede nicht."

Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe hohe Bedeutung für die weiteren Planungen zur Zukunft der Kirche, ergänzte Johannes Wischmeyer, Leiter der Abteilung Kirchliche Handlungsfelder im EKD-Kirchenamt in Hannover: „Mit über drei Millionen Daten und den ergänzten kirchenamtlichen Statistiken für den Ökumenischen Kirchenatlas ist sie die umfassendste repräsentative Studie zur Entwicklung von Religion und Kirche in Deutschland.“

Die Untersuchung führe vor Augen, „wie stark die Prozesse der Säkularisierung in unserer Gesellschaft fortgeschritten sind“, fügte Gilles hinzu. Wenn sich selbst für viele Kirchenmitglieder die Frage nach Gott nicht mehr stelle und der Glaube kaum noch eine Relevanz für das eigene Leben habe, sei das für die Kirchen mehr als eine Problemanzeige. „Wir sehen eine Krise des religiösen Glaubens, der religiösen Praxis, des religiösen Erfahrens und der religiösen Kommunikation“, so Gilles.