Zukunftsforscher: Kirche könnte Renaissance erleben

Personen klettern auf einen Berg
Getty Images/iStockphoto/Huseyin Bostanci
Bewegung in der Natur stärkt die Psyche – das biblische Narrativ der Schöpfung gewinnt so neue Aktualität.
Was erwartet uns 2025?
Zukunftsforscher: Kirche könnte Renaissance erleben
Was erwartet uns 2025? Die Zukunft sieht gerade alles andere als rosig aus. Woraus schöpfen wir nun Hoffnung und Mut? Welche Rolle spielt dabei Kirche und Gottvertrauen? Die Zukunftsforscher Tristan Horx und Dr. Andreas M. Walker sagen, was ist und was kommen könnte.

Die weltpolitische Lage ist angespannt, innenpolitisch und gesellschaftlich hängt Konflikt in der Luft. Die Wirtschaft sorgt sich. Themen wie Migration und Kriege bestimmen die Debatten. Woraus schöpfen wir nun Hoffnung und Mut? evangelisch.de fragte den Zukunftsforscher Tristan Horx, Co-Founder von "The Future:Project", einem Start-up in der transformativen Zukunftsforschung mit Sitz in Frankfurt. "Hoffnung ist etwas für Demagogen. Wir brauchen Zuversicht, gepaart mit einer guten Dosis Mut", sagt Horx. Allerdings: "Die Kirche hat es nicht einfach, dabei könnte sie jetzt eine Renaissance erleben. "

Auch der Zukunftsforscher Andreas Walker ist skeptisch, was die Rolle der Kirche in unserer Gesellschaft angeht. "Hoffnung wäre neben Glauben und Liebe eine zentrale christliche Tugend. Zuversicht und Gottvertrauen sind wichtige Themen in der Bibel. Aber Kirchen und Kapellen als sichtbare Orte des christlichen Glaubens rangierten in unseren Umfragen als Orte der Hoffnung weit hinten", sagt Walker, der zu den führenden Trend- und Zukunftsexperten der Schweiz gehört. 

2025 könnte die Stunde von Kirche schlagen, sagt sein Kollege Horx, doch einiges spreche dagegen. "Während ihre älteren Mitglieder langsam diese Welt hinter sich lassen", so Horx, "wendet sich die junge nachkommende Generation vermehrt von ihr ab." Das liege vor allem an ihrem Fokus auf sakrale, restriktive Elemente und einen grundsätzlichen Unwillen zur Veränderung. Kirche fände einfach keine Anknüpfungspunkte mehr bei einer Generation, die viele soziale Strukturen hinterfrage.

Der "German Angst" Hoffnung entgegenstellen

Das Potential von Kirche sehen Walker und Horx. "Durch die zunehmende Spaltung in der Gesellschaft suchen wir wieder nach dem Menschen, dem Zwischenmenschlichen. Das kann Kirche", glaubt Horx. Rituale, die sich auf das Beisammensein, abseits von Einkommen, Klasse oder politischer Orientierung fokussieren, seinen ihre eigentliche Stärke. "Es herrscht Angst vor der Gegenwart und Zukunft, viele Menschen sind orientierungslos. So manche Zukunftsforscher sagen, wir werden eines Tages eine künstliche Intelligenz anbeten. Ich hoffe nicht." Horx resümiert: "Es gibt eine gesellschaftliche Suche nach Sinn, und die Kirche könnte diese Chance nutzen. Denn auch der Glaube ist eine Form der Zuversicht, die wir jetzt gerade so dringend brauchen."

Der allgegenwärtige Pessimismus ist nichts Neues. Walker: "Eigentlich leben wir seit Jahren in einer Phase, in der die Angst vor Krisen und Sorgen jeglicher Art größer sind als Mut und Zuversicht." Ein Phänomen, das unter dem Begriff "German Angst" bekannt sei.

Der Zukunftsforscher rät, aktiv etwas dagegen zu unternehmen: "Hoffnung ist eine Kompetenz ist, die erlernt werden kann." Hoffnung sei eine innere Haltung, die bewusst gewählt werde. "Ich übernehme selbst Verantwortung und frage mich: Wie kann ich Kraft für den nächsten Schritt aufbauen?" Wenn es auf diesem Weg nicht klappe, könne sich jeder fragen – welches dann alternative Wege seien. "Um diese eigene Bereitschaft komme ich nicht herum."

"Religion: komplizierte Welt des Glaubens"

In seinen aktuellen Untersuchungen erkennt Walker, dass Hoffnung als Kompetenz für den Mikrokosmos des eigenen Familien- und Freundeskreises durchaus da sei. "Aber im Makrokosmos von Weltpolitik, Klimawandel und digitaler Technologien ist der Pessimismus stark am Wachsen." Jedoch: "Hoffnung wächst vom Kleinen ins Große." Vertrauen und Ermutigung im Kreis von Familie und Freunden seien wichtige Multiplikatoren der Hoffnung. "Leider werden auch Pfarrpersonen – noch hinter den Personen aus Politik und Medien – nicht als Hoffnungsspendende wahrgenommen", sagt Walker. Der Grund seiner Erkenntnis nach: "Religion wird als komplizierte Welt des Glaubens der Vergangenheit und nicht als Geburtsstätte der Hoffnung und Freude auf die Zukunft verstanden." 

Dies sieht Walker als Herausforderung und Chance und fragt: "Was braucht es, damit die Gebäude der Kirche nicht nur Orte der historischen Erinnerung und Versammlung zur Glaubenslehre sind, sondern als Orte von Zuversicht und Hoffnung erkannt und genutzt werden?" Im Fokus der Antworten stehen, so Walker, Bewegung und Erfahrung in der freien Natur, also der Spaziergang durch Feld und Wald, am Wasser oder die Wanderung in den Bergen. "Zahlreiche Studien zum mentalen Wohlbefinden weisen nach, wie wichtig die Bewegung in der Natur ist – das biblische Narrativ der Schöpfung gewinnt so neue Aktualität."

Auch Tristan Horx empfiehlt den Blick nach vorne und nicht in die Vergangenheit, wo "wir uns eigentlich ganz gut geschlagen" haben. "Der zivilisatorische Fortschritt ist nicht aufzuhalten, auch wenn es manchmal so wirkt, als würden wir uns Rückwärts bewegen." Trends bedingen Gegentrends, sagt Horx, ohne die die wahre Zukunft nicht sichtbar werde. "In der Zukunft ist nicht ALLES neu, sondern es vereint sich das neue Sinnvolle mit dem Alten, das gut war." Die Erwartungshaltung, dass alles ganz anders werden müsse, verursache eine Dissonanz gegenüber der Zukunft, die manchmal dazu verleite, die Vergangenheit zu romantisieren. Es sei früher nicht alles besser gewesen, so Horx, aber auch manches gut. "Daraus können wir lernen." Diese "Spiralen in Richtung Morgen" seien normal. "Je früher wir das verinnerlichen, desto eher können wir der Welt mit Zuversicht begegnen."