Es dauert eine geschlagene Stunde, bis er in seinem neuesten Film den ersten Auftritt hat. "Horizon - An American Saga" ist das Opus Magnum des Schauspielers, Regisseurs und Produzenten Kevin Costner - oder soll es zumindest noch werden. Es ist ein bislang dreistündiges Westernepos, das von der Besiedlung des Westens der USA handelt, eher klassisch inszeniert, aber doch mit multikulturellen Perspektiven. Auf vier Teile, also zwölf Stunden, ist die Saga angelegt. Der erste Teil kam nach der Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes im Mai im August in die deutschen Kinos.
Kein anderer Schauspieler und Regisseur in Hollywood ist dem Western - dem uramerikanischsten aller Filmgenres - so verbunden wie Costner, der am 18. Januar 70 Jahre alt wird. Er machte als Schauspieler 1985 in "Silverado" auf sich aufmerksam. Der Film behandelt ein klassisches Thema des Western der 40er und 50er Jahre: die Auflehnung gegen einen Großgrundbesitzer.
In "Wyatt Earp - das Leben einer Legende" (1994) spielte er den Sheriff und Marshall, der sich gegen die bösen Clantons durchsetzen muss. Und in dem Western "Open Range" (2003) erzählte Costner eine der schönsten Liebesgeschichten des Genres, unter Menschen im durchaus schon fortgeschrittenen Alter.
Sein wichtigster Beitrag zum Western-Genre war aber "Der mit dem Wolf tanzt" im Jahr 1990, ein Projekt, das zu Beginn niemand haben wollte. Costner stemmte es als Regisseur, Hauptdarsteller und Produzent mehr oder weniger alleine. Die Geschichte des Kavalleristen John Dunbar, der Mitte des 19. Jahrhunderts einen entfernten Außenposten bezieht und schließlich bei den Lakota-Indianern lebt, brachte Costner sieben Oscars ein, unter anderem für den besten Film und die beste Regie. Heute mögen einige diesen Film als kulturelle Aneignung bezeichnen, aber: Soviel Respekt den Ureinwohnern gegenüber und soviel Authentizität - gesprochen wurde Lakota - hatte bis dahin noch kein Western gezeigt.
Aber sicherlich sind die Western nur ein Teil - wenn auch der wichtigste - des Werks von Kevin Costner. Seinen großen Durchbruch hatte er 1987 in "Die Unbestechlichen" als Bundesbeamter Eliot Ness, der im Chicago der frühen 1930er Jahre den berüchtigten Gangster Al Capone (Robert De Niro) zur Strecke bringt. Dieser Eliot Ness hat seine Prinzipien - wenn er auch manchmal von ihnen abweichen muss. Seit diesem Film ist mit Costner auch das Leinwand-Image des aufrechten Helden verbunden, das er in vielen weiteren Filmen kultiviert, verbunden mit einer abgeklärten Lässigkeit.
Die Liste der integren Charaktere in seinem Werk ist lang: der Staatsanwalt Garrison, der sich in "JFK - John F. Kennedy - Tatort Dallas" (1991) von Oliver Stone den Mord an dem amerikanischen Präsidenten noch einmal vornimmt, der Marineoffizier Tom Farrell, der in Washington in eine Intrige um die Vertuschung eines Mordes gerät, und natürlich Robin of Loxley, der sich mit dem Sheriff von Nottingham anlegt, den Reichen nimmt und den Armen gibt, in "Robin Hood - König der Diebe" (1991).
Aber Kevin Costner kann auch Bösewichte. Zum ersten Mal in Clint Eastwoods Meisterwerk "A Perfect World" (1993): Da spielt er einen Verbrecher auf der Flucht, der einen Jungen als Geisel nimmt und sich mit ihm anfreundet. Eindrucksvoll ist auch seine Darstellung eines eiskalten Profikillers in "Mr. Brooks - Der Mörder in Dir" (2007).
Vor allem als Regisseur und Produzent aber war Costners Karriere auch von etlichen Niederlagen begleitet. Er war bereit, große Risiken zu übernehmen, die sich nicht immer auszahlten. Sein Projekt "Waterworld", das auch kein großes Studio realisieren wollte, war 1995 einer der teuersten Filme Hollywoods - und wurde zu einem Flop an den Kinokassen und bei der Kritik. Erst am Ende der Verwertungskette, inklusive Videoverkauf und -verleih, zahlte sich der Film aus. Überhaupt nie ausgezahlt hat sich hingegen sein Endzeitfilm "Postman" (1997).
Er war vielleicht Costners größte Niederlage - wenn nicht "Horizon", sein viertes Projekt als Regisseur, zu einem noch größeren Scheitern wird. Mehr als 30 Jahre hat er versucht, seine Saga zu realisieren, quasi den ultimativen Western. Er soll in dieses Projekt große Teile seines eigenen Vermögens investiert und seine Ranch beliehen haben, in der der mehrfache Vater auch mit seiner mittlerweile geschiedenen zweiten Frau Christine Baumgartner lebte.
Wegen der anstehenden Dreharbeiten zu "Horizon" ist Costner aus der erfolgreichen TV-Serie "Yellowstone" ausgestiegen. Seit 2018 verkörperte er darin den Großrancher John Dutton, eine coole, aber doch auch ambivalente Figur.
Teil eins von "Horizon" ist allerdings an den Kinokassen gefloppt. In den USA wurde der schon fertige zweite Teil, der im vergangenen Jahr noch starten sollte, auf Eis gelegt. Aber Costner gibt nicht auf. Er sei sich sicher, das hat er immer wieder gesagt, dass es weitere Teile geben werde.