TV-Tipp: "Entführen für Anfänger"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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27. Dezember, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Entführen für Anfänger"
Das Stockholm-Syndrom ist in der psychologischen Fachwelt umstritten. Der Begriff wird verwendet, wenn sich zwischen Geiselnehmern und ihren Gefangenen eine wie auch immer geartete Form von Solidarität oder gar Zuneigung entwickelt. Stoff für eine makabere Komödie.

Berühmtestes Beispiel ist der Fall Patty Hearst: Die Enkelin des amerikanischen Zeitungszaren William Randolph Hearst wurde 1974 von einer linksradikalen Gruppe entführt und schloss sich ihr kurzerhand an. Das ist ja alles ganz interessant, mag sich das geneigte Publikum der Freitagsfilme im "Ersten" denken, aber was hat das mit meinem Lieblingssendeplatz zu tun? Womöglich mehr, als ihm lieb ist: Einige Filme haben das Stockholm-Syndrom zur Liebesgeschichte umgemünzt. Nach diesem Muster funktioniert auch "Entführen für Anfänger", allerdings auf eine Weise, die nicht allen Freitagsfans gefallen wird. 

Die Komödie mit dem Ehepaar Andrea Sawatzki und Christian Berkel knüpft an eine lose ARD-Reihe an, die 2019 mit dem heiteren Drama "Scheidung für Anfänger" begonnen hat und zwei Jahre später mit "Sportabzeichen für Anfänger" fortgesetzt wurde. An den überaus witzigen Tonfall dieser Komödie knüpft nun auch der dritte Film an, wobei die Kernidee eine klassische Thriller-Situation auf den Kopf stellt: Stell’ dir vor, du entführst die Gattin deines Chefs und bleibst auf ihr sitzen, weil der Typ seine Frau gar nicht zurückhaben will. So ergeht es dem bis dahin gänzlich unbescholtenen Buchhalter Adam Lansky (Berkel). Sein Arbeitgeber ist der prominente Schönheitschirurg Robert Moser (Fritz Karl), der nicht nur eine entsprechende Klinik leitet, sondern einen ganzen Beauty-Konzern aufgebaut hat. 

Bislang war Evelyn Moser (Sawatzki) das Gesicht des Unternehmens, doch da sich nicht länger verleugnen lässt, wie unerbittlich auch an ihr der Zahn der Zeit nagt, muss sie einem Model (Hedi Honert) weichen, und das nicht nur in den PR-Kampagnen; um die Ehe des von der Klatschpresse heißgeliebten Paars steht es schon länger nicht mehr zum Besten. Der preisgekrönte Amateurtänzer Lansky arbeitet seit fast vierzig Jahren für die Familie Moser, aber nun wird seine Abteilung durch eine Künstliche Intelligenz ersetzt. Zum Jahresende ist Schluss, er kommt nicht mal mehr in den Genuss der regionalen Köstlichkeiten, mit denen die Firma Dienstjubiläen zu belohnen pflegt; daher sinnt er auf Vergeltung. Als Prototyp des Erbsenzählers hat er ausgerechnet, dass er für seinen Lebensabend gut 900.000 Euro braucht. Er entführt Evelyn und fordert eine Million Euro, aber auf das Lösegeld kann er lange warten: Der Racheplan eröffnet Moser die unerwartete Möglichkeit, seine verblühende Gattin elegant loszuwerden. 

Christian Jeltschs Drehbuch bietet Berkel und Sawatzki eine Fülle an lustigen Situationen. Einige Szenen sind für diesen Sendeplatz allerdings ungewohnt makaber. Eine unbeschwerte romantische Komödie ist "Entführen für Anfänger" eher nicht, zumal Sawatzki offenkundig enormes Vergnügen an ihrer Rolle des ganz und gar nicht am Boden zerstörten, dafür aber ständig herzhaft fluchenden Entführungsopfers hatte. Zum Ausgleich darf Berkel in diverse Verkleidungen schlüpfen. Evelyn braucht trotzdem nicht lange, um rauszufinden, wer sie verschleppt hat, stellt aber zu ihrer Überraschung fest, dass der Buchhalter durchaus sympathisch ist. Lansky wiederum erkennt, dass ein von den Medien vermitteltes Image nicht immer der wahren Persönlichkeit entspricht. Als Moser die Zahlung verweigert, entwickeln die beiden einen neuen Plan: Nun wollen das neue Gesicht des Konzerns entführen. Auch dieses Vorhaben scheitert jedoch auf groteske Weise. Für zusätzliche Komplikationen sorgen die Querschüsse weiterer Beteiligter, darunter neben Mosers Tochter (Shadi Hedayati) und Lanskys Kollegin (Michelle Barthel) auch Model Lene, die einer ganz eigenen Vergeltungsagenda folgt. 

Regisseur Hans Hofer ist bislang vor allem als Autor der ZDF-Reihe "Marie fängt Feuer" aufgefallen, einige der Episoden hat er auch inszeniert. Bei seiner nicht zuletzt dank der Musik (Martina Eisenreich, Michael Kadelbach) recht flotten ersten ARD-Komödie kann er sich ganz auf sein zentrales Trio verlassen. Fritz Karl als Gockel ist schon ein Genuss, aber wie es Berkel und Sawatzki gelingt, auch schwierigen Slapstick wunderbar leicht erscheinen zu lassen, ist große Spielkunst. Das gilt vor allem für die Szenen im "Verlies", in dem ein Bungee-Seil den Bewegungsradius einschränken soll. In der zweiten Hälfte, als sie sich einen Kick nach dem anderen holt, lebt der Film nicht zuletzt vom Rollentausch, wie Evelyns Schlusssatz verdeutlicht: "Halt’ die Klappe und tanz!"