Nach der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt bemühen sich Staat und Behörden weiter um die Aufklärung der Hintergründe der Tat. Das Amtsgericht Magdeburg erließ am Samstagabend Haftbefehl gegen den 50-jährigen Tatverdächtigen wegen fünffachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes und mehrfacher gefährlichen Körperverletzung, wie die Polizeiinspektion Magdeburg am Sonntag mitteilte. Der Mann aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Sachsen-Anhalt lebt und zuletzt als Arzt in Bernburg bei Magdeburg praktiziert hat, war am Freitagabend ungebremst mit einem Auto durch eine Budengasse auf dem Weihnachtsmarkt gerast.
Mehr als 200 Menschen wurden dabei laut Polizei verletzt, darunter mehr als 40 schwer bis sehr schwer. Bei den Getöteten handele es sich um einen neunjährigen Jungen und vier Frauen im Alter von 45, 52, 67 und 75 Jahren. Kritik gibt es vermehrt an dem Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes.
Über das Motiv der Tat besteht weiter Unklarheit. Der Mann war in den sozialen Netzwerken als aggressiver Islamkritiker und AfD-Sympathisant aufgefallen. Zudem soll er in den vergangenen Jahren Organisationen wie den Zentralrat der Ex-Muslime und eine Ärztekammer massiv bedroht haben. Der Magdeburger Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens nannte am Samstag "Unzufriedenheit über den Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen in Deutschland" als mutmaßlichen Hintergrund der Tat.
Am Samstagabend gedachten Tausende Menschen der Opfer. An einem Trauer- und Gedenkgottesdienst im Magdeburger Dom beteiligten sich Angehörige von Opfern, Rettungskräfte und zahlreiche Politikerinnen und Politiker aus Land und Bund wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Brandenburg, Reiner Haseloff (CDU) und Dietmar Woidke (SPD). Scholz hatte zuvor den Tatort besucht.
Der Magdeburger katholische Bischof Gerhard Feige beschrieb die Trauer, Wut und Fassungslosigkeit der Menschen über den brutalen Anschlag. "Gemeinsam sind wir heute Abend hier, um uns gegenseitig Halt zu geben, um auszuhalten, was nicht zu begreifen ist", sagte er.
Der mitteldeutsche evangelische Landesbischof Friedrich Kramer rief in seiner Predigt zum Zusammenhalt auf. Gewalttäter "setzten sich auf den Thron der Aufmerksamkeit", sagte er auch mit Blick auf eine gleichzeitig stattfindende Kundgebung von Rechtsextremisten. Er forderte, diesen keinen Raum zu geben, sondern als Gesellschaft in Solidarität zusammenzustehen. Am Samstagabend hatte die rechtsextreme Szene zu einer Kundgebung nach Magdeburg mobilisiert. Daran nahmen nach Polizeiangaben 2.100 Menschen teil.
Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und sächsische Landesbischof Tobias Bilz, sagte, das Attentat ziele darauf, Zusammenhalt und Gemeinschaft in Trennung, Abgrenzung und Hass zu verkehren. "Wir sind zusammen, um dagegen ein Zeichen zu setzen", sagte er.
Auf dem Domplatz vor der Kirche verfolgten mehr als tausend Menschen den Gedenkgottesdienst auf Videoleinwänden. Um 19.04 Uhr, exakt 24 Stunden nach der Tat, läuteten zudem alle Kirchenglocken der Stadt. Auf anderen Weihnachtsmärkten in Deutschland, wie etwa in Köln, gab es eine Gedenkminute.
Unterdessen berichten Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt von vermehrten Übergriffen und Hetzjagden auf Menschen mit ausländischen Wurzeln nach dem Anschlag. Nach Angaben des Landesnetzwerk LAMSA hat es gegen Mitarbeiter und Mitglieder des Verbandes am Samstag Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen gegeben.