Die Jüdische Gemeinde Darmstadt und mehrere Privatpersonen haben nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Daniel Neumann Strafanzeigen gegen die evangelische Michaelsgemeinde und die Palästina-Solidaritätsgruppe "Darmstadt4Palestine" erstattet. Die Anzeigen richteten sich gegen das Ausstellen verfassungswidriger und terroristischer Symbole, sagte Neumann am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auf dem "Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt" der Gemeinde am vergangenen Wochenende seien Produkte feilgeboten worden wie das Kennzeichen der verbotenen Terrororganisation Hamas, das rote Dreieck, oder Slogans wie "From the river to the sea", die die Auslöschung Israels forderten.
Nach Augenzeugenberichten und vorliegendem Bildmaterial seien "sämtliche Register gezogen worden, um Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren", sagte Neumann. Die Vorwürfe lauteten, Israel begehe seit 75 Jahren einen "Genozid" an Palästinensern, betreibe "ethnische Säuberungen" und praktiziere eine "Apartheid" im Land. Diese ideologisch motivierten Vorwürfe stellten "israelbezogenen Antisemitismus" dar, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Das Abhalten dieses Weihnachtsmarktes der Kirchengemeinde sei "skandalös", sagte er. "Es ist tragisch, dass das legitime Anliegen, auf das Leid der Palästinenser aufmerksam zu machen und Spenden zu sammeln, immer direkt ein Einfallstor bietet, um Israelhass und Antisemitismus zu verbreiten."
Auch der Darmstädter Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) hat der Michaelsgemeinde vorgeworfen, "antisemitische Inhalte propagiert" zu haben. "Die Bilder sind zutiefst verstörend. Es wird versucht, das Existenzrecht Israels zu delegitimieren und den Staat Israel zu dämonisieren, indem judenfeindliche Stereotype auf den Staat Israel und seine Politik übertragen werden", schrieb Benz in einem Brief an die Kirchengemeinde und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) laut Mitteilung der Stadt am Dienstag. "Eine solche Veranstaltung unter dem Dach einer evangelischen Gemeinschaft durchzuführen, ist deshalb unerträglich."
Die Kirchengemeinde hatte gemeinsam mit der Gruppe "Darmstadt4Palestine" einen "Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt" unter das Thema der Palästina-Solidarität gestellt. "Antikolonial nennen wir ihn deshalb, weil unser Fokus darauf liegen wird, Palästinenserinnen und Palästinenser mit den Einnahmen unseres Marktes zu unterstützen. Das Leid in Gaza findet bis heute kein Ende...", heißt es in der Ankündigung der Gemeinde. Es gebe palästinensische Erzeugnisse zu kaufen, eine Bilderausstellung zu Palästina zu sehen, einen Leseraum über die palästinensische Kultur, Lesungen, Musikvorführungen und einen Filmabend zum Thema.
Das Bildmaterial und die Berichte über den Weihnachtsmarkt, die die EKHN seit Wochenbeginn erreichten, seien "zutiefst verstörend", teilte die Pressestelle der Kirche am Dienstag in Darmstadt mit. "Wir, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, haben den Kirchenvorstand der Gemeinde, die die Veranstaltung ausgerichtet hat, aufgefordert, sich von der Veranstaltung zu distanzieren." Daraufhin habe der Pfarrer der Gemeinde gegenüber der Kirchenverwaltung erklärt, dass sich die Michaelsgemeinde von jeglicher Form der Menschenverachtung distanziere, darunter verstehe er selbstverständlich auch Rassismus und Antisemitismus.
"Wir suchen weiter das Gespräch mit den Verantwortlichen der Gemeinde, um die Vorwürfe aufzuklären. Sollten sich diese bewahrheiten, behalten wir uns vor, rechtliche Schritte gegenüber der Kirchengemeinde einzuleiten", so heißt es in der Stellungnahme der EKHN am Mittwoch (18. Dezember).
Um auch Klarheit über die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe zu erlangen, begrüße man die Strafanzeige, die die Jüdische Gemeinde Darmstadt gegen die Michaelsgemeinde gestellt hat, "ausdrücklich". Weiter heißt es: "Wir werden uns dieser Anzeige anschließen."
"Antisemitismus darf in unserer Kirche keinen Platz haben. Auf Basis der uns bisher verfügbaren Informationen haben wir den Eindruck, dass der inhaltliche Zuschnitt dieser Veranstaltung nicht übereinstimmt mit der Haltung unserer Kirche", so steht in der Stellungnahme.
Hier geht es zur Seite "Kirche gegen Antisemitismus".