Angesichts der vielen Krisen und Ängste muss Kirche nach Überzeugung des bayerischen Landesbischofs Christian Kopp ein Ort für Dialoge sein. "Es braucht Foren, auf denen Meinungen ausgetauscht werden, auch kontroverse Meinungen", sagte Kopp am Sonntagmorgen laut Redemanuskript im Gottesdienst zur Eröffnung der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Würzburger St. Stephanskirche. "Kirche kann, Kirche muss ein Ort für diese Dialoge sein. Wir müssen zuhören."
Es sei "viel Angst unterwegs", auch angesichts der weltweiten Fluchtbewegungen, sagte der Theologe. In den "aufgeregten Debatten über Flucht und Asyl" würden Vorurteile gegenüber Fremden "geradezu gezüchtet". Ihm hülfen in solchen Situationen Fakten, sagte Landesbischof Kopp: "Deutschland ist seit Jahrhunderten ein Land der Zuwanderung." Zugewanderte Menschen packten "in unzähligen Berufen" mit an: "Wir würden das alles aus eigener Kraft gar nicht mehr schaffen." Die deutsche Wirtschaft brauche diese Zuwanderung.
Kopp verwies darauf, dass man diese Zuwanderung vom individuellen Recht auf Asyl trennen müsse. "Ich mache mir bewusst, dass ich selbst in eine Situation kommen könnte, wo ich fliehen muss", erläuterte er und erinnerte an die Situation der Menschen in Nordisrael und im Südlibanon: "Ich stelle mir vor, wie es mir dann ginge. Das hilft mir bei diesen Fragestellungen." Alle Menschen bräuchten das Gleiche: Ein Dach über dem Kopf, etwas zu Essen, ruhige Nächte und Schlaf ohne Sirenen: "Orte, wo wir sicher sein können."
Schwerpunkt der diesjährigen Synoden-Tagung ist das Thema "Flucht, Migration und Menschenrechte". "Jeder Mensch hat die gleiche Würde – egal, woher er kommt." Dies werde in der aufgeheizten Debatte um Begrenzung und Abschiebung allzu häufig ausgeblendet, so die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich. "Wir dürfen die Deutungshoheit nicht denen überlassen, die Ängste instrumentalisieren, die mit ihrem Populismus von der Angst leben, Komplexität leugnen und vielschichtige Sachverhalte in menschenverachtende Eindeutigkeit überführen wollen", so Heinrich.
"Als Kirchen werden wir weiterhin Schwache schützen und für die Menschenrechte von Geflüchteten eintreten." In den vergangenen Jahren hatte sich die EKD-Synode durch zahlreiche Beschlüsse in flüchtlings- bzw. migrationspolitischen Fragen positioniert. Das Plenum beginnt am Sonntag, 10. November, um 11.00 Uhr. Zu Beginn der Tagung wird Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, ein Grußwort halten. Außerdem auf der Tagesordnung stehen am Sonntag die Berichte des Präsidiums der Synode und des Rates der EKD.
Das Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt wird am Montag seinen jährlichen Bericht vor der Synode halten und einen Maßnahmenplan zur Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt vorstellen. Dieser nimmt die Empfehlungen aus der im Januar veröffentlichten unabhängigen ForuM-Studie auf.
Im Verlauf der Tagung werden die Synodalen gemeinsam mit den Mitgliedern der Kirchenkonferenz auch drei neue Mitglieder in den Rat der EKD nachwählen. Am Dienstag wird zudem der Ratsvorsitz für die verbleibenden Jahre der aktuellen Amtsperiode bis 2027 bestimmt. Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus im November 2023 hatte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs den amtierenden Vorsitz im Rat übernommen.
Die Synode wird online im Live-Stream übertragen.