Kinder wollen ihre Lieblingsgeschichten wieder und wieder hören; und wehe, es wird beim Erzählen auch nur ein winziges Details geändert. Bei Erwachsenen ist das im Grunde kaum anders, allerdings mit einem Unterschied: Kleine Veränderungen dürfen nicht nur, sondern sollen sogar sein. Deshalb stirbt im zweiten Film mit Oliver Mommsen als TV-Ermittler, der auch im echten Leben gern kriminalisiert, nicht mehr die Mutter, zumal sie ja ohnehin bereits tot ist, sondern ein Klempner. Ansonsten jedoch hat sich Michael Gantenberg, gemeinsam mit Lars Albaum auch Autor des ersten Films der Freitagsreihe "Mord oder Watt", ans bewährte Muster gehalten.
Wie in Teil eins beginnt die Handlung mit einem Missgeschick: Als der ein wenig in die Jahre gekommene Schauspieler Tim Seebach (Oliver Mommsen) in seiner Rolle als Kommissar Lux über ein Geländer springen soll, zieht er sich eine Zerrung in der Schulter zu. Also nimmt er sich erneut eine Auszeit, um sich in seiner alten Wilhelmshavener Heimat untersuchen zu lassen; in Berlin wäre ein Arztbesuch ein gefundenes Fressen für die Klatschmedien. Kaum angekommen, stößt er beim Strandspaziergang auf eine Leiche.
Bei dem Toten handelt es sich um just jenen Handwerker, der die Dusche von Wiebke Tönnessen (Antonia Bill), Mieterin seiner verstorbenen Mutter, reparieren sollte, weshalb sich der Fernsehpolizist und die echte Polizistin wieder dauernd über den Weg laufen: privat, weil Wiebke nun sein Bad benutzen muss; und "beruflich", weil Tim wie schon bei seiner Mutter überzeugt ist, dass der Mann keines natürlichen Todes gestorben ist. Die schmerzlich vermisste alte Dame (Angelika Thomas) gibt sich auch in "Für immer Matjes" als gelegentliche Gesprächspartnerin die Ehre.
Getreu der Sportdevise "Never change a winning team" hat Gantenberg ohnehin das identische Personal aus "Ebbe im Herzen" wieder ins Rennen geschickt. Die Auseinandersetzungen zwischen Tim und der zunehmend genervten Wiebke, die allerdings anerkennen muss, dass seine Ermittlungsansätze nicht verkehrt sind, erfüllen mit ihren Spitzen alle Voraussetzungen für eine romantische Komödie. Es knistert jedoch vor allem zwischen dem Schauspieler und der ehemaligen Kapitänin Hannah Lübker (Ulrike C. Tscharre), die nun ein Schiffslokal betreibt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Im Vergleich zum ersten Film gibt es in Form zweier Küsse immerhin schon mal kleine Fortschritte. Gleichfalls wieder mit von der Partie ist Frau Jessen (Hedi Kriegeskotte), der wandelnde Lokalfunk von Westerfleth, außerdem Wiebkes Kollege Malte (Joshua Seelenbinder), der ein glühender Fan von Seebachs Serie "Der Lux" ist und jede Folge kennt, sowie Jugendfreund Erik (Niels Bormann). Im ersten Film hatte der Schauspieler keine Ahnung, dass Erik schwul ist, diesmal hat er seinen Geburtstag vergessen.
Es wäre ein Leichtes, Gantenberg all’ das um die Ohren zu hauen, weil die Fortsetzung über weite Strecken wie eine Kopie wirkt. Das macht aber gar nichts, denn auch "Für immer Matjes" ist ein äußerst kurzweiliges Filmvergnügen. Schon allein die Dialoge sind ein großer Spaß; die Wortgefechte zwischen Wiebke und Tim, dessen aufgeblasenes Ego sie als pure Provokation empfindet, lassen bei jeder Begegnung die Funken sprühen. Die Spielfreude Oliver Mommsens ist ohnehin ansteckend. Die postkartenbunten Urlaubsbilder von Westerfleth sind schön anzuschauen, die Musik (Musik: Daniel Hoffknecht) verbreitet ebenfalls gute Laune. Regie führte erneut André Erkau, für die Bildgestaltung war auch diesmal Fee Strothmann zuständig.
Ein wesentlicher Unterschied zum ersten Film ist natürlich der Fall: Der tote Klempner war zu Lebzeiten mit einer Austernzüchterin (Kristin Suckow) verlobt. Ihr Vater (Uwe Rohde) hielt den Mann jedoch für einen Windhund. Tatsächlich braucht Seebach nicht lange, um rauszufinden, dass der Typ tatsächlich Dreck am Stecken hatte, wobei die Austern seiner Verlobten eine entscheidende Rolle spielen. Dass Stephan Grossmann als Besitzer eines noblen Restaurants mehr als bloß den Kurzauftritt im ersten Akt hat, versteht sich von selbst.
Den Rest besorgen optische Einfälle wie der verblüffende Übergang von einer Auster, die sich selbstständig macht, zu einer fliegenden Möwe. Einer der Höhepunkte ist eine mitreißende Tanzeinlage: Weil die Serienregisseurin ihrer Hauptfigur ein jüngeres Image verpassen will, hat sie Seebach einige Outfits mitgegeben, die sie für "cool" und "fresh" hält. Vom wem auch immer die Choreografie stammt, als er die Sachen vor dem Spiegel anprobiert: Dafür gebührt ein Extralob.