Diakonie-Expertinnen: Geflüchtete nicht unter Generalverdacht stellen

Diakonie-Expertinnen: Geflüchtete nicht unter Generalverdacht stellen

Düsseldorf (epd). Flüchtlinge stehen nach Auffassung von Diakonie-Expertinnen seit dem Messeranschlag von Solingen zu Unrecht unter Generalverdacht. Das sei angesichts sinkender Asylbewerberzahlen und einer hohen Anerkennungsquote nicht gerechtfertigt, sagte Hanna Zängerling, Referentin für den Bereich Migration und Flucht bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), dem Evangelischen Pressedienst (epd). Geflüchtete würden „als Sündenböcke abgewertet und kriminalisiert“ und ihnen würden „Rechte weggenommen“.

Mit Blick auf Überlegungen in der Politik, Migranten und Asylsuchende an den deutschen Grenze pauschal abzuweisen, betonte Zängerling: „Deutschland ist verpflichtet, die Menschen einreisen zu lassen und rechtmäßig zu prüfen, ob sie Anspruch auf Schutz haben oder nicht.“

Die Forderung der Union, über die Ausrufung einer Notlage Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen, hält die Diakonie RWL für falsch. Statistikzahlen zeigten, „dass die überwiegende Mehrheit der in Deutschland ankommenden Asylsuchenden nach dem Grundgesetz, der Genfer Flüchtlingskonvention oder EU-Recht Anspruch auf Schutz und somit Aufenthaltsrecht hat“, sagte Magdalena Köster, die für die Diakonie Jülich als Asylverfahrensberaterin in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen arbeitet.

Köster verwies darauf, dass nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im ersten Halbjahr 2024 rund 120.000 Asylerstanträge gestellt wurden, gut ein Fünftel weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Darunter waren von Januar bis Juni dieses Jahres rund 76.000 Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. „Die Menschen fliehen wegen drohender Gefahren wie Menschenrechtsverletzungen, Tod und Folter im Herkunftsland“, unterstrich Köster. Sie beklagte Unkenntnis über das Leben von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen, die für eine skeptische Stimmung in der Bevölkerung sorge. Das schüre Vorurteile.

In NRW würden Asylbewerberinnen und Asylbewerber bis zu 24 Monate in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht, ihr Alltag sei dort maßgeblich fremdbestimmt, erläuterte die Beraterin. „Über das Leben und die Bedürfnisse der Menschen in den Einrichtungen und die dortigen Umstände weiß die Öffentlichkeit wenig.“ Asylbewerber dürften frühestens nach sechs Monaten eine Arbeitserlaubnis beantragen. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung bemühten sich die meisten von ihnen, die deutsche Sprache zu lernen und eine Arbeit aufzunehmen.

Köster sieht ihre Arbeit gefährdet, weil Nordrhein-Westfalen ab 2025 die gesetzlich festgelegte, für Asylbewerber kostenfreie Rechtsberatung für Asylverfahren ausschließlich mit Geld vom Bund finanzieren will. Es sei gesetzlich festgelegt, dass diese Beratung vom Bund übernommen werden müsse, argumentiert das für Flucht zuständige Ministerium. Die Wohlfahrtsverbände kritisieren, dass die Bundesförderung nur für 20 Stellen für Beraterinnen und Berater ausreiche. Das sei bei einer Zahl von rund 55 Unterkünften in NRW viel zu wenig.

Zängerling beklagte, dass es Flüchtlinge heute auch deshalb schwerer hätten als etwa bei der großen Flüchtlingszuwanderung 2015/2016, weil es viel weniger ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gebe. „Viele Hilfsstrukturen, die damals bestanden, haben sich inzwischen aufgelöst“, sagte die Migrationsexpertin. Dabei wäre es gerade in der aktuellen aufgeheizten Stimmung wichtig, „die Gesellschaft mitzunehmen“ und menschliche, persönliche Begegnung zu schaffen.