Ein umfassendes unabhängiges Monitoring von Abschiebungen fordert die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, nach ihrem Besuch der Abschiebehafteinrichtung in Büren. "Es reicht nicht aus, Abschiebungen nur vereinzelt an Flughäfen beobachten zu lassen. Wenn ausreisepflichtige Menschen in Haft genommen werden und über zunehmend längere Zeiträume auf ihre mögliche Abschiebung warten, müssen wir uns fragen, in welcher Weise das mit elementaren Würde- und Sicherheitsansprüchen dieser Menschen in Einklang stehen kann", sagt die Präses im Anschluss an den Besuch und Gesprächen mit regionalen Hilfsinitiativen.
"Alle Menschen sind frei und gleich von Gott geschaffen. Alle haben dieselbe Würde, dieselben Menschenrechte, auch dann, wenn klar ist, dass sie unser Land verlassen müssen." Am Donnerstag traf sich Heinrich in Köln mit dem Verein "Abschiebungsreporting NRW", der auch von Kirche und Diakonie finanziert wird. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Synode der EKD ein wirksames Abschiebemonitoring im Sinne der EU-Rückführungsrichtlinie gefordert. Eine gesetzliche Regelung lehnt das Bundesministerium des Innern und für Heimat jedoch weiterhin ab.
Im Sommer hatte Heinrich bereits ein Closed Controll Access Center (CCAC) an der EU-Außengrenze auf Kos in Griechenland sowie eine Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt besucht. "Es braucht die kritische zivilgesellschaftliche Kontrolle des staatlichen Umgangs mit Geflüchteten, gerade bei Abschiebungen", so Heinrichs Einschätzung. Das gelte für die Aufnahme bei der Ankunft an den europäischen Außengrenzen ebenso wie für den Umgang innerhalb von Deutschland. "Von Behörden häufig zu hören, dass für einen Missstand eine andere Stelle Verantwortung trage, bringe eine strukturelle Verantwortungslosigkeit zum Ausdruck. Jeder überblickt nur seinen eigenen Verantwortungsbereich und hat keinerlei Einblick, was an anderen Stellen geschieht". Im November wird die Synode der EKD in Würzburg über das Schwerpunktthema "Migration, Flucht und Menschenrechte" beraten.
Kopp: Asyl ist und bleibt Menschenrecht
"Politisches Asyl ist und bleibt ein allgemeines Menschenrecht mit tiefen christlichen Wurzeln, und wir brauchen dieses Menschenrecht", erklärt der bayerische Landesbischof Christian Kopp. Gleichwohl höre er vor allem in Gesprächen mit Kommunalpolitikern häufig, dass es an manchen Orten "ein Zuviel an Aufnahme von Geflüchteten" gebe. Man müsse dies benennen und Lösungen suchen. "Wir können über alles reden, über Rückführungen in Sicherheit und Würde, über Gerechtigkeit", solange eben das Grundrecht auf Asyl unangetastet bleibe.
Dem schließt sich der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx an. "Das Grundrecht auf Asyl ist unabdingbarer Bestandteil der Menschenwürde, begründet in der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen", sagt Marx. Politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge hätten ein Anrecht auf Asyl. Dieses Prinzip müsse unverrückbar gelten. Zu diesem Grundrecht gehöre auch, dass nicht jeder Asyl bekommt, fügt Marx hinzu: "Wer nach einem fairen Verfahren keinen Anspruch auf Asyl hat, kann aber auch wieder zurückgeschickt werden." Es brauche also entsprechende Regelungen und es brauche Zuwanderung von "Menschen, die wir schnell in Ausbildungen sowie in Berufe bringen und so auch integrieren". Mauern an den Grenzen würden jedenfalls nicht helfen.
Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht stellen
Die Gottebenbildlichkeit des Menschen gelte auch mit Blick auf die derzeit geführte Debatte um Migration und Asyl, betont die Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt. Es sei selbstverständlich, dass auch die Themen Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung elementar seien. "Beide Themen in eins zu setzen aber bedeutet, auch Menschen, die selbst vor Terror und existenzieller Bedrohung fliehen, unter Generalverdacht zu stellen."
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Ökumenisches Friedensgebet in Detmold
Anlässlich des bundesweiten Tags des Flüchtlings wollen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Konfessionen bei einem ökumenischen Friedensgebet für Respekt, offene Herzen und Mäßigung in der derzeitigen Migrationsdebatte werben. Die Organisatoren der Aktion zeigten sich "schockiert" von der Flüchtlingsdebatte, die seit dem Anschlag in Solingen geführt wird, teilt die Lippische Landeskirche mit.
Anstatt über eine verstärkte Präventionsarbeit gegen islamistische und andere Radikalisierungen oder die bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden zu diskutieren, scheine es den politisch Verantwortlichen nur noch um "illegale Migration" zu gehen, so die Landeskirche. Durch den Negativbegriff gerieten Geflüchtete pauschal unter Verdacht und Anfeindungen nähmen zu.
Das ökumenische Friedensgebet, das am Freitag ( 27. September) um 18 Uhr in der Erlöserkirche am Detmolder Markt stattfindet, solle deshalb ein Zeichen der Solidarität mit Flüchtlingen und anderen Menschen setzen, die aufgrund der "erhitzt geführten" Debatte angefeindet würden.
Tegeler: Vielfalt ist Stärke
Auch die Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster, Stefanie Tegeler, mahnt mehr Sachlichkeit in der Diskussion über die Asyl- und Migrationspolitik an. Die Debatte mit der Frage, wie Deutschland mit Geflüchteten künftig umgehe, habe insbesondere nach der Attacke von Solingen einen zunehmend polarisierenden Charakter angenommen, erklärt Tegeler. Tegeler forderte eine Rückkehr zu einer lösungsorientierten Debatte um Geflüchtete. Nur auf dieser Grundlage sei es möglich, die komplexen Herausforderungen, denen die Gesellschaft gegenüberstehe, langfristig zu meistern, unterstrich die Flüchtlingsbeauftragte. "Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist unsere Stärke", sagt Tegeler.
Schuster: Beim Asyl härter durchgreifen
"Wer soll hier Asyl bekommen? Es ist notwendig, härter durchzugreifen", sagt der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster dem "Tagesspiegel". "Wir müssen uns fragen: Was verkraftet Deutschland an Migration, gerade aus dem muslimischen Raum." Es gehe nicht darum, vor Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, die Tür zu schließen. "Ich bin dafür, allen Menschen, die aus großer Bedrohung fliehen, Asyl zu gewähren", sagt Schuster. Wirtschaftsflüchtlinge seien aber etwas anderes. Und es gebe europäische Abkommen, die eingehalten werden sollten.
Union fordert verschärfte Zurückweisungen
Während in der Bevölkerung nach dem Anschlag in Solingen der Ruf nach mehr Sicherheit lauter wird, wird in der Politik über verschärfte Flüchtlingszurückweisungen debattiert. So schlägt die Union vor, das sogenannte Sicherheitspaket der Ampel mit Maßnahmen zu ergänzen. Zudem fordert sie in einem neuen Gesetzesantrag nicht nur die Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen, sondern auch eine Verschärfung des Asylrechts und eine Einschränkung humanitärer Aufnahmen.
Gefordert wird unter anderem, neben der Einführung von Zurückweisungen auch die Bundesprogramme zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Menschen einzustellen, Asylbewerber in Haft zu nehmen, um ihre Identität festzustellen, und bei Ausreisepflicht Sozialleistungen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Laut Unions-Innenpolitiker Alexander Throm (CDU) brauche man eine "Verschnaufpause" bei der Migration. Er wirft der Bundesregierung vor, mit ihrem Sicherheitspaket Zuzug nicht zu verhindern. Vertreter der Koalition weisen dies als Populismus zurück. Der Antrag der Union wurde am Donnerstag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen.
Zahl der Geflüchteten steigt auf 3,5 Millionen
Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge erreichte einen neuen Höchststand, wächst aber inzwischen langsamer an. Demnach lebten Ende des ersten Halbjahres 2024 rund 3,48 Millionen Geflüchtete im Land, wie am 20. September aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, über die zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtete.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am 16. September die Grenzkontrollen verschärft. Zweifel an der Umsetzung kamen nicht nur von der Gewerkschaft der Polizei, auch vereinzelte Politiker kritisierten die Wirkung der Grenzkontrollen.
Der Tag des Flüchtlings wurde 1986 in Deutschland ausgerufen und ist seitdem Bestandteil der "Interkulturellen Woche". Er findet immer am Freitag der bundesweiten Aktionswoche statt, die in diesem Jahr vom 22. bis 29. September läuft. Das Motto für 2024 lautet "Neue Räume".