Ablösung der Staatsleistungen "unrealistisch"

Dr. Nikolaus Blum
epd-bild/ELKB/Rost
Nikolaus Blum sieht das Thema der Ablösung der Staatsleistungen aktuell nicht verhandelbar, "da die Länder ganz klar gesagt haben, für sie komme eine Ablösung der Staatsleistungen derzeit nicht in Betracht."
Oberkirchenrat zu Ampel-Plänen
Ablösung der Staatsleistungen "unrealistisch"
Die Bundesregierung hat angekündigt, die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen umzusetzen - und damit einen mehr als 100 Jahre alten Verfassungsauftrag umzusetzen.

Oberkirchenrat Nikolaus Blum, Leiter des Landeskirchenamts der bayerischen Landeskirche, erklärt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), warum er den Plan der Ampel-Koalition für unrealistisch hält - und warum es aktuell gesellschaftlich aus seiner Sicht auch nicht angebracht wäre.

epd: Wie realistisch schätzen Sie es ein, dass die Ampelregierung die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen wie angekündigt umsetzen wird?

Blum: Ich persönlich schätze das als sehr unrealistisch ein. In den vergangenen zwei, drei Jahren gab es in dieser Angelegenheit intensive Gespräche zwischen dem Bund, den Ländern und Kirchenvertretern. Diese Gespräche wurden eingestellt, weil die Länder ganz klar gesagt haben, für sie komme eine Ablösung der Staatsleistungen derzeit nicht in Betracht. Man fragt sich, warum dieses Thema jetzt nochmal gespielt wird. Es könnte sein, dass es eine Maßnahme zur Füllung des Sommerlochs war, oder eine Aktion der Ampel, um zu demonstrieren, dass sie sich um die Abmachung in der Koalitionsvereinbarung doch intensiv kümmert.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass kurzfristig ein Grundlagengesetz zur Ablösung der Staatsleistungen zustandekommt"

Sie glauben also nicht, dass es zu einer Entscheidung kommt?

Blum: Ich kann mir nicht vorstellen, dass kurzfristig ein Grundlagengesetz zur Ablösung der Staatsleistungen zustandekommt. Denn der Bund alleine könnte nur ein Gesetz verabschieden, das zustimmungsfrei ist, also das nicht durch den Bundesrat muss. Die Ablösung der Staatsleistungen ist aber ein Gesetz, das durch die Länder umgesetzt und finanziert werden muss. Und das so auszugestalten, dass es zwar verbindliche Richtlinien für die Ablösung enthält, aber nicht zustimmungspflichtig ist - ich weiß nicht, wie das gehen soll.

Eine direkte Einsparung für die öffentlichen Haushalte wäre es nicht, da die Länder die jeweiligen Landeskirchen dann ja finanziell entschädigen müssten, oder?

Blum: Das wären erhebliche Aufwendungen, die auf die jeweiligen Bundesländer zukämen, nicht auf den Bund. Zudem müsste in einem solchen Gesetz geklärt werden, in welcher Form die Ablösung erfolgt. Es ist nicht zwingend, dass dies ausschließlich durch Geldzahlungen in erheblicher Höhe geschieht. Es könnte auch durch die Abtretung von Grundstücken oder andere Übertragungen von Werten geschehen. All dies müsste im Gesetz geregelt werden. Auch deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass dies kurzfristig umsetzbar ist.

"Die Details der Ablösung müssten zwischen den Bundesländern und den jeweiligen Kirchen vereinbart werden"

Die Wahrscheinlichkeit mal außen vorgelassen: Bereitet sich die Landeskirche auf den Fall vor, dass das Gesetz doch zustande kommt?

Blum: Ich sehe derzeit keinen akuten Handlungsbedarf und keinen zeitlichen Druck. Selbst wenn der Bund ein solches Grundlagengesetz verabschieden würde, würde es sicher einen längeren Umsetzungszeitraum für die Länder geben, etwa zehn Jahre, in denen sich die Länder mit den jeweiligen Landeskirchen einigen müssten. Die Details der Ablösung müssten zwischen den Bundesländern und den jeweiligen Kirchen vereinbart werden, sodass ein Bundesgesetz keine direkten Auswirkungen auf den Haushalt unserer Landeskirche hätte.

Und wie sähe es mit den indirekten Auswirkungen aus?

Blum: Eine weitere Frage, die geklärt werden müsste, ist, welche Staatsleistungen überhaupt von diesem Ablösungsauftrag der Verfassung betroffen wären. In den Staatsleistungen sind beispielsweise auch Zahlungen wie der sogenannte Seelsorgepfennig enthalten, den die Landeskirche erhält, der aber auch für andere Glaubensgemeinschaften und humanistische Vereinigungen gezahlt wird. Unseres Erachtens handelt es sich dabei nicht um Staatsleistungen, die aufgrund der Weimarer Verfassung abzulösen sind. Wenn man solche Leistungen herausrechnet, bleibt für die evangelische Landeskirche in Bayern nur ein überschaubarer Betrag übrig, wahrscheinlich im einstelligen Millionenbereich. Auch wenn wir zugegebenermaßen in den nächsten Jahren vor großen finanziellen Herausforderungen stehen, wären diese Beträge nicht so gravierend, dass sie unseren Haushalt grundlegend erschüttern würden oder eine langfristige Vorbereitung erforderten.

Wie wird es aus Ihrer Sicht jetzt weitergehen?

Blum: Grundsätzlich würde ich sagen, dass die Frage der Ablösung zunächst eine politische Aufgabe ist. Der Ball liegt im Feld der politischen Akteure, also beim Bund und den Ländern. Sie müssen sich einigen. Die Position der bayerischen Staatsregierung, die auf der guten Zusammenarbeit und dem komplementären Verhältnis zwischen Staat und Kirche in gesellschaftlichen Fragen basiert, können wir allerdings gut nachvollziehen. Das ist auch das Hauptargument von Ministerpräsident Söder, warum er an den Staatsleistungen nicht rütteln möchte. Eine kurzfristige Streichung der Staatsleistungen würde der aktuell herausfordernden zivilgesellschaftlichen Situation nicht gerecht werden.

Befürworter einer sofortigen Ablösung betonen, dass es sich dabei um einen Verfassungsauftrag handelt...

Blum: Das ist richtig. Nachdem dieser Auftrag aber nun seit über 100 Jahren nicht eingelöst wurde und sich in Deutschland ein konstruktives Zusammenwirken von Staat und Kirchen zur Aufrechterhaltung eines demokratischen Gemeinwesens entwickelt hat, besteht kein Anlass, die gefundene Balance durch kurzfristige gesetzgeberische Aktionen zu gefährden.