In immer mehr Bundesländern startet das neue Schuljahr. Wie wird meinem Kind das Lernen gelingen, wie gut kommt es in der neuen Gemeinschaft zurecht und welche Kosten kommen auf uns zu? Das sind Fragen, die Eltern angesichts der Einschulung bewegen. Vor allem fehlendes Geld bedrückt immer mehr Menschen mit Kindern. Denn ohne Markenkleidung und -ausstattung oder einem eigenen Smartphone werden Kinder, auch wenn es so nicht sein sollte, immer wieder an Schulen ausgegrenzt. Auch hängen einige Betroffene ohne elterliche Hausaufgabenhilfe oder kostspielige Nachhilfe schnell im Unterricht nach. Selbst Geburtstagsfeiern und Schulausflüge werden jährlich deutlich teurer, vor allem dann, wenn Topfschlagen spielen zu Hause für den älteren Nachwuchs nicht mehr reicht. Am Ende fallen etliche Familien schlicht raus in der Freizeitgestaltung.
Die Sparkasse hat es einmal ausgerechnet. Wie viel Geld müssen Eltern ausgeben, wenn wirklich alles von einer Materialliste, die Schulen oft bei der Einschulung ausgeben, erworben wird? Ergebnis: Mit Schulranzen, Federmappe, Turnbeutel, Sport- und Hausschuhen, Brotdose, Trinkflasche, Heften, Blöcken und Co. sowie diversen Bastelsachen, darunter ein teurer Wasserfarbenkasten, sind mindestens 365 Euro für ein Kind nötig. Alleine 60 Euro werden für die gut gefüllte Schultüte in der Rechnung veranschlagt. Nicht eingerechnet ist ein Schreibtisch für zu Hause, der oftmals auch mit fast 100 Euro samt Stuhl zu Buche schlägt. Nach oben sind die Ausgabemöglichkeiten nahezu unbegrenzt. Familien mit mehreren Kindern sind noch zusätzlich belastet, da sie nicht nur den Schulstart des einen Sprösslings, sondern parallel und fortlaufend auch Ausflüge, Bücherkosten etc. für alle weiteren Kinder stemmen müssen.
Der Staat hilft Familien, die Bürgergeld beziehen. Sie können zum Schulstart für ihre Kinder jährlich Leistungen für Bildung und Teilhabe beantragen. Zu Beginn eines Schuljahrs erhalten sie pro Kind zunächst 130 Euro und dann im zweiten Halbjahr noch einmal 65 Euro. Hier hilft beispielsweise die Diakonie in Niedersachsen. Sie bietet Beratungen an, um Familien über genau diese staatliche Unterstützungsmöglichkeiten aufzuklären.
Kleines Einkommen, große Liste
Doch was tun für die Menschen, die knapp über diesem Level leben oder schlicht sehr kinderreich oder alleinerziehend sind. Christ:innen, kirchliche Einrichtungen und Gemeinden versuchen auch hier zu helfen. Nachmachen ausdrücklich erwünscht! Viele diakonische Beratungsstellen unterstützen Familien zum Schulstart in die erste oder fünfte Klasse mit Ranzen, Rucksäcken, gefüllten Mäppchen oder Turnbeuteln. So auch die von der Diakonie betreute Freiwilligenagentur in Dormagen am Niederrhein. Das "Schulranzenprojekt" gibt es dort seit 16 Jahren. Hier bekommen Kinder nicht nur einen Tornister, sondern auch gleich die komplette Erstausstattung: Oft Markenware, die aus Spendengeldern finanziert wird. Zahlreiche Händler:innen vor Ort leisten dafür Sachspenden. Aber es gibt auch gut erhaltene, gebrauchte Tornister. Zumindest optisch müssen die Kinder derart ausgestattet, nicht hinten anstehen.
Einige Schulranzen-Aktionen in anderen Bundesländern sind bereits abgeschlossen. So hatte die Diakonie im Landkreis Ludwigsburg, die diese Aktion seit mehr als 15 Jahren macht, in Zusammenarbeit mit dem bundesweiten Tatort-Verein und der Kreissparkasse mehr als 760 Schulranzen und 140 Sporttaschen im Angebot, konnte damit aber nicht alle Nachfragen bedienen. In Tuttlingen verteilte die Diakonie seit April bisher 70 Schulranzen – die Aktion läuft zusammen mit der Caritas, dem Jobcenter und dem Kinderschutzbund noch bis zum Schulstart. In Heilbronn spendet seit mehreren Jahren der Kiwanis Club für Schulanfänger aus der Mitternachtsmission mit Frauen- und Kinderschutzhaus des Kreisdiakonieverbandes Heilbronn, ein komplettes Set für den Schulbeginn.
Abhilfe schaffen wollen auch die Kirchengemeinden und das Caritascentrum West mit rund 30 ehrenamtlichen Helfern im Ruhrgebiet. Sie haben die ökumenische Schulmaterialkammer Rheinhausen ins Leben gerufen. Dort kann bedürftigen Kindern - egal welcher Klasse - gezielt mit Sachspenden geholfen werden.
Satt lernt es sich besser
Eine weitere langfristige Hilfe bietet das Kinderhilfswerk "Die Arche", das bundesweit aktiv ist und von der Evangelischen Kirche getragen wird. Diese Einrichtung hilft täglich bei Hausaufgaben und serviert warme Mahlzeiten für Kinder, auf die Zuhause niemand wartet oder deren Eltern schlicht nicht in der Lage sind, bei den Hausaufgaben zu helfen. Auch hier werden Schulranzen weitergereicht. Insbesondere in Berlin-Hellersdorf können sich über 1.000 Kinder auf die Arche verlassen. Auch die Tafeln steuern gute Ideen bei. Nur ein Beispiel: Mit der Power Kiste für Projektschulen wird die gesunde Ernährung für alle Kinder gesichert. Das erreicht vor allem die, die oft überhaupt keine Brotdose mitbringen.
Eltern selbst können auch einige Sparmöglichkeiten nutzen. Für die Einrichtung zu Hause lohnt sich beispielsweise der Gang in eines der örtlichen kirchlichen Sozialkaufhäuser. Die Mitarbeitenden dort kennen den Bedarf zu Schulbeginn und können eventuell bei der Suche nach Schreibtisch, Stuhl, Turnbeuteln oder Beleuchtung helfen. Zahlreiche Gemeinden, kirchliche Schulen oder Organisationen organisieren gezielt Flohmärkte vor Schulbeginn, auf denen Bücher, Möbel oder Tornister für kleines Geld gekauft werden können. Gewaschen oder frisch gestrichen, wirkt vieles wieder wie neu.
Druck rausnehmen auf der Kostenseite
Auch evangelische Kindergärten, wie beispielsweise die Kita Wirbelwind in Neuss, wollen Druck von den Eltern nehmen und basteln gemeinsam aus günstigen Materialien mit Kindern und Eltern regelmäßig die Schultüten selber. Für Menschen, die aktiv etwas tun wollen, gibt es ebenfalls viele gute Ideen. Beispielsweise in einem Schreibwarenladen anfragen, ob man einfach etwas mehr kaufen oder etwas mehr bezahlen könnte für den Nächsten, der kommt und es gebrauchen kann. Oder eine Spendenaktion ins Leben rufen, im Handel nach Ranzensponsoren suchen, ein Frühstücksangebot in der Schule ins Leben rufen, Schultüten basteln anbieten oder als Hausaufgabenhilfe oder Leseunterstützung, ehrenamtlich und kostenfrei schwächere Schüler:innen unterstützen.
Mitspracherecht nutzen
Wirksam sein kann es auch, sich im Elternrat mit seiner Stimme dafür starkzumachen, die Kosten der Materiallisten einzudämmen, Ausflüge vorab finanziell zu begrenzen, Projekte über einen Förderverein für alle Kinder zu zahlen oder Turnschuhe und Sportsachen, aus denen Kinder rausgewachsen sind, einzusammeln und in einer Kiste zur kostenfreien Mitnahme anzubieten.
Armut unter Kindern zu verhindern, ist aber keine private Angelegenheit sondern eindeutig eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Diakonie Württemberg sieht es praktisch und weist auf die erhöhten gesellschaftlichen Folgekosten hin, wenn junge Menschen aus Familien mit geringem Einkommen in Schule und Freizeit benachteiligt sind. "Gesunde und gut ausgebildete Kinder haben deutlich bessere Chancen, sich selbst ein Leben ohne Abhängigkeit von staatlichen Hilfen aufzubauen", so die Vorstandsvorsitzende Annette Noller.