Mit dem Nationalteam zu den Paralympics

Ein Rollstuhlfahrer und eine Rollstuhlfahrerin trainieren in einer Sporthalle Rollstuhlrugby.
epd-bild/Jens Schulze
Marco Herbst und Mascha Mosel werden mit der deutschen Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft bei den Paralympics in Paris um Medaillen kämpfen.
Rollstuhlrugby
Mit dem Nationalteam zu den Paralympics
Nach Olympia ist vor den Paralympics. Am 28. August beginnen in Paris die Weltspiele für Menschen mit Behinderung. Mascha Mosel und Marco Herbst sind für die Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft dabei.

Mit Wucht steuert Marco Herbst (35) seinen Rollstuhl direkt auf den seiner Trainingspartnerin Mascha Mosel (21) zu. Ein metallisches Krachen erfüllt die Turnhalle in der Akademie des Sports in Hannover. Wenn Außenstehende vor Schreck zusammenzucken, sind die beiden Rollstuhlrugby-Spieler in ihrem Element. "Dass man die anderen crashen darf, macht gerade den Reiz aus", sagt Mosel und blickt ihren Käpt'n herausfordernd an.

Mosel und Herbst legen an diesem Tag eine Extra-Trainingseinheit ein. Vom 28. August bis zum 8. September werden die Hannoveraner mit der deutschen Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft bei den Paralympics in Paris um Medaillen kämpfen. Marco Herbst ist der Kapitän des zwölfköpfigen Teams. Mosel betreibt die Sportart erst seit vier Jahren und gilt bereits als aufstrebendes Talent.

Beim Rollstuhlrugby spielen Mixed-Mannschaften im Vier gegen Vier auf einem Basketballfeld gegeneinander. Einen Punkt erzielt, wer mit dem Ball, der einem Volleyball ähnelt, die acht Meter breite Torlinie überquert, erklärt Mosel. Im Kampf um den Ball oder zur Verhinderung von Toren sind die sogenannten "Hits", also Stöße gegeneinander, ausdrücklich erlaubt.

Mascha Mosel legt eine Extra-Trainingseinheit ein.

Eine Art Stahlkäfig schützt die Füße und Beine. Doch die Stühle können durch die Wucht eines Aufpralls umkippen. Verletzungen seien dennoch selten, sagt die Studentin der Mediendesigninformatik, die in der Nähe von Bremen geboren und aufgewachsen ist. "Außerdem sind alle Sportarten irgendwie gefährlich", findet Mosel und grinst. Zum Aufwärmen drehen sie und ihr Käpt'n ein paar Runden durch die Halle, dribbeln und passen sich den Ball zu.

Viele Regeln machen das Spiel sehr anspruchsvoll

Viele Regeln machen das Spiel sehr anspruchsvoll, erklärt Herbst. Taktik gepaart mit Action - darin liegt für ihn der Reiz des Rollstuhlrugbys: "Eine Mischung aus Schach und Autoscooter", sagt der Systemingenieur. Für die verschiedenen Behinderungsgrade werden Punkte vergeben. Auf dem Feld darf jede Mannschaft auf maximal acht Punkte kommen. Gewechselt werden kann bei jeder Spielunterbrechung. "Allein das erfordert viel taktisches Geschick."

Mosel und Herbst geben jetzt richtig Gas. Die leichten Spezialrollstühle mit den schräg gestellten Rädern erlauben schnelle Wendungen und Sprints. Die Trainingspartner rufen einander Kommandos für Richtungsänderungen zu: "Rückwärts", "Vorwärts", "Seitenwechsel", schallt es durch die Halle. Dazwischen ist nur das Quietschen der Gummireifen auf dem Hallenboden zu hören.

Marco Herbst ist fit für die Paralympics in Paris.

Beide Sportler haben von Geburt an eine Behinderung. Bei dem 35-Jährigen sind durch das sogenannte FFU-Syndrom der rechte Arm und beide Beine fehlgebildet. Im Alltag nutzt er Bein-Prothesen. Mosel bewegt sich aufgrund eingeschränkter Motorik auch im Alltag meistens mit dem Rollstuhl vorwärts.
Die Studentin ist außer Atem, Schweißperlen glänzen auf ihren muskulösen Oberarmen. Ihre Wangen sind gerötet. Doch ihr Lachen verliert die 21-Jährige so schnell nicht. So kurz vor den Paralympics trainiert sie jeden Tag. "Studium und Treffen mit Freunden muss ich irgendwie drumherum planen." Dennoch genießt sie die Vorbereitungen auf die Paralympics in vollen Zügen. "Die Vorfreude ist riesig." Allein der Gedanke, in einer großen Arena vor tausenden Zuschauern zu spielen, bereitet ihr Gänsehaut.

Nach einem letzten Trainingslager geht es am 21. August mit dem gesamten Team im Bus nach Paris. Ihre drei Brüder und ihre Mutter werden zum Start der drei Vorrundenspiele gegen die USA, Kanada und Japan vor Ort zuschauen, erzählt die junge Frau. "Mein Vater ist zwar mein größter Fan, aber er mag keine Großveranstaltungen. Er wird die Partien zu Hause vor dem Bildschirm verfolgen."

Ihr Traum wäre eine Goldmedaille - da müssen beide Sportler nicht lange überlegen. Und was wäre realistisch? "Rollstuhlrugby ist hierzulande eine absolute Randsportart mit bundesweit nur 300 Spielern", sagt Herbst. Wenn wir überhaupt ein Spiel gewinnen, wäre das schon riesig." Mosel wünscht sich vor allem, dass ihr Team gut durch die Vorrunde kommt. "Und vielleicht überraschen wir ja auch - so wie die deutschen 3x3-Basketballerinnen bei Olympia." Die gewannen am Ende Gold.