So betete Bischöfin Steen auf ihrer Radeltour

Nora Steen auf dem Fahrrad
Privat
Schwungvoller Start in eine abwechlungsreiche Sommerpilgertour: Nora Steen.
Pilgertour durch Schleswig-Holstein
So betete Bischöfin Steen auf ihrer Radeltour
Bischöfin Steen pilgerte dieses Jahr unter dem Motto "Flut & Segen" auf dem Radel durch die Kirchenkreise. Was sie dabei alles erlebte und welche Gebete ihr zugeflogen kamen, das berichtete sie in ihrem Blog.

Herzensmomente erlebte Bischöfin Nora Steen, als sie in Schleswig-Holstein ein paar Tage mit dem Rad unterwegs war. Sie feierte am Strand mit einer bunten Gruppe von Menschen Andacht. Schmetterte abends Lieder wie "Marmor, Stein und Eisen" sowie "Country Roads" zur Gitarre. "Ihr habt mich leider liedtechnisch in meine Jugend gebeamt und ich bin in ihnen in den letzten Tagen total hängen geblieben", so Steen.

Sie suchte das Gespräch mit jungen Menschen und berichtete begeistert in ihrem Blog: "An zwei Abenden bis in den späten Abend quatschen mit sehr klugen Pfadfinder:innen, denen ich gern die Zukunft in die Hände geben mag." Sie traf Menschen, die beeinträchtigten Jugendlichen helfen, irgendwann eine Regelschule zu besuchen oder eine Ausbildung machen zu können. "Was ihr täglich leistet!" Und traf Kirchgemeinderäte, "die mit unendlicher Energie ihre Gemeinde am Laufen halten, auch wenn die Pastor:innenstelle schon lange nicht mehr kontinuierlich besetzt ist". Immer wieder habe sie zu diesem Thema den Wunsch gehört, dass es wieder eine Person gibt, die das Gesicht der Gemeinde ist. "Wie können wir als Kirche mit weniger Pastor:innen vor Ort ansprechbar sein – eine wichtige Frage, an die wir dringend dran müssen."

In Schönberg und Heidkate startete die Bischöfin ihre Radeltour. Beten kann man schließlich nicht nur in der Kirche, sondern auch auf dem Rad. Ihr Tagesgebet an diesem sonnigen Sonntag widmete Steen allen jungen Menschen in den Ferien. "Dass sie Abstand gewinnen können vom Schulstress. Dass sie spüren können, wie viel Kostbares das Leben für sie bereit hält. " Auch den vielen Teamer:innen bei Jugendfreizeiten schenkte sie ein Gebet. "Ihr gebt so vielen jungen Menschen unvergessliche Erinnerungen."

Rassismus klingt erstmal abstrakt und weit weg von der sommerlichen Atmosphäre in Schleswig-Holstein.

Zwischen Schönberg und Preetz entdeckte Steen ein Banner am Straßenrand. "Kein Platz für Rassismus" stand dort handgemalt auf gelben Grund. Der Impuls für den zweiten Tag war gefunden. "Rassismus klingt erstmal abstrakt und weit weg von der sommerlichen Atmosphäre hier in Schleswig-Holstein. Aber, Rassismus ist Ausgrenzung anderer, die in unseren Köpfen beginnt", schreibt Steen in ihrem Blog und mahnt zur Wachsamkeit.

"Es braucht mehr solche Momente"

Abends traf sich die Bischöfin zu einer Andacht und geselliger Runde am Strand von Heidkate. "Wie können wir wirklich in all unserer Verschiedenheit miteinander unterwegs sein, anstatt in Paralleluniversen oder gar gegeneinander?", fragte sie. Auch sprach sie mit Jung und Alt über Erfahrungen mit der evangelischen Kirche und einen notwendigen Wandel. "Wir merkten", so Steen, "wir haben alle Bilder in uns von den jeweils anderen, wir sind unterschiedlich geprägt, haben unterschiedliche Erfahrungen". Einig darüber sei man sich gewesen, dass "wir diese Schranken in unseren Köpfen überwinden müssen, wenn wir zu einer gleichberechtigen Partizipation aller kommen wollen". Das gelte für das Thema Rassismus mit all seinen verschiedenen Ausprägungen in besonderer Weise.

Bei der Andacht am Strand von Heidkate.

Mit von dieser Begegnung im hellen Sand von Heidkate nahm Steen die Erkenntnis: "Es braucht mehr solche Momente, in denen Menschen verschiedener Herkünfte und verschiedener Generationen einfach zusammen sind und sich voneinander erzählen. Und die anderen hören zu. Das klingt nach wenig, ist aber ganz viel. Durch solche Begegnungen öffnen sich für alle Beteiligten neue Sichtweisen auf unsere Wirklichkeit. So beginnt Veränderung."

"Auch als Bischöfin bin ich ein ganz normaler Christenmensch"

Am nächsten Tag nahm sich die sportliche Bischöfin Zeit für einige FAQ's (frequentlly asked questions), die sie immer wieder höre. Zuerst ging es um die Frage: Eine Bischöfin in T-Shirt und Shorts - ist das ehrwürdig genug?  "Auch, wenn ich also als Bischöfin ein geistliches Leitungsamt in unserer Kirche habe", so Steen, "bin ich dennoch ein ganz normaler Christenmensch. Eine Kirche, die sich als Kirche der Menschen versteht, sollte mit Insignien kirchlicher Macht äußerst sensibel umgehen". Vor Gott und in der Kirche seien alle gleich, auch wenn die Funktionen unterschiedlich seien.

Lagerfeuerromantik: Nora Steen eine Nacht bei den Pfadfindern Schönberg.

Die zweite Frage, der sich Steen widmete, lautete: Bio-Rad oder E-Bike?
Steen plädiert für das E-Bike. "Das habe ich mir allerdings erst letzte Woche zusammen mit meiner Tochter angeschafft." Auf ihrer Pilgertour soll ihre ganze Energie und Kraft schließlich in die Gespräche und Begegnungen fließen. "Ich muss mir körperlich nichts beweisen und ich weiß, dass ich gesundheitsbedingte Schwächen habe."

Die dritte Antwort gilt einer Frage der Kritiker:innen, die ihr oft gestellt wurde. "Bist du wirklich allein unterwegs oder ist da nicht doch ein Team im Hintergrund? Und: ist das nicht zu einsam?" Tatsächlich sei sie alleine unterwegs. "Obwohl ich tolle Hilfe bei der Vorbereitung durch mein Team hatte." Auch wenn sie jetzt Bischöfin sei, sei sie doch trotzdem noch einigermaßen überlebensfähig, auch ohne Unterstützung. "Phasen des Alleinseins - mit Gott und mit mir selbst - gehören für mich konstitutiv zu meiner geistlichen Leitungstätigkeit dazu." Ihr Gebet an diesem Tag galt allen, "die auch ihre Schwächen haben und denen es schwer fällt, Hilfe anzunehmen. Probiert es aus, das kann befreien! Wir müssen nicht alles aus eigener Kraft schaffen".

Vom 21. bis zum 26. Juli hatte sich Nora Steen auf den Weg gemacht, um in den Kirchenkreisen Plön-Segeberg und Ostholstein kirchliche und diakonische Einrichtungen zu besuchen und mit den Menschen dort ins Gespräch zu kommen. Terminkalender und Formalitäten einmal hinter sich lassen - das hatte sie sich vorgenommen. "Statt schneller Ortswechsel möchte ich bewusst Wege genießen, entspannt Wind, Wetter und die wunderschöne Landschaft in diesen Kirchenkreisen wahrnehmen und auch die Zeit für die Begegnungen mit Menschen in einer anderen, ruhigeren Taktung erleben – deshalb ist diese Tour für mich ein Pilgerweg", so schrieb Steen auf der Website der Nordkirche.

Das Motto "Flut & Segen" erklärt Steen folgend: Wir nehmen unseren täglichen Alltag als eine Flut an Eindrücken, Nachrichten, Katastrophen war. Doch wir können dem etwas entgegensetzen, in dem wir uns ab und an ganz bewusst einen anderen, ruhigeren Rhythmus geben." Diesen Rhythmus findet Steen im Norden. "Der natürliche und uns im Norden so vertraute Rhythmus von Ebbe und Flut darf gerne in diesem Motto gelesen werden." Ihre Reise voller erfüllender Eindrücke gibt ihr Recht.