Für Außenstehende erschließt sich die Tragweite dieses Dramas womöglich gar nicht, aber für die betroffenen Paare ist es ein Schock, wenn sie feststellen, dass der gemeinsame Kinderwunsch unerfüllbar bleibt. Manche suchen ihr Heil in einer Leihmutterschaft. Diese Form der Nachwuchserzeugung ist ethisch allerdings umstritten und in Deutschland verboten. Die zehnte und letzte Episode aus der ARD-Reihe "Toni, männlich, Hebamme" behandelt das Thema seriös, aber zumindest zunächst auf dennoch heitere Weise: Hanna (Kathrin von Steinburg), die Ex-Frau von Entbindungspfleger Toni (Leo Reisinger), kann nach einer "Totaloperation" keine Kinder mehr gebären, hat aber gemeinsam mit ihrem Mann Alex (Martin Bretschneider) eine junge Georgierin gefunden, die bereit war, sich eine befruchtete Eizelle einsetzen zu lassen.
Der Film beginnt mit der Ankunft der hochschwangeren Natascha (Katja Hutko) in München. Später muss sie allerdings in ihre Heimat zurück; hierzulande wäre die Übertragung des Sorgerechts auf Alex und die Adoption durch Hanna ungleich schwieriger. Toni findet das Arrangement zwar fragwürdig ("Kinderkriegen als Dienstleistung"), ist jedoch bereit, Natascha durch ihre letzten Schwangerschaftswochen zu begleiten. Allerdings spürt er recht bald, dass die ménage à trois komplizierter ist, als die Beteiligten glauben, denn die Fröhlichkeit der Georgierin ist bloß Fassade. Angesichts von Hannas kühler Distanz fühlt sie sich ohnehin wie ein Brutkasten. Als sie sich dann auch noch in Alex verliebt, droht die Übereinkunft zu scheitern.
Dank ihrer Gastdarstellerin können Reihenschöpfer Sebastian Stojetz und Regisseurin Sibylle Tafel, die alle Drehbücher gemeinsam verfasst haben, dem typischen "Toni"-Tonfall treu bleiben: Katja Hutko, gebürtige Berlinerin mit weißrussischen Wurzeln, wirbelt über weite Strecken als Frohnatur mit apartem Akzent durch die Geschichte und sorgt als Klinikclown auf der Kinderstation für Heiterkeit und Sonnenschein. Die ernste Seite der Geschichte kommt dennoch nicht zu kurz. Das gilt vor allem für den Grund, warum Hanna und Alex überhaupt diesen Ausweg gewählt haben. Auf diese Weise können Stojetz und Tafel ein weiteres Thema ins Spiel bringen, über das selbst zwischen Paaren nicht gern gesprochen wird: Hanna, obschon gerade mal vierzig, leidet unter typischen Wechseljahrsphänomenen, darunter auch Libidoverlust.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Gemessen am Anspruch dieses Teil der Geschichte mögen die beiden anderen Ebenen des Films fast schon irrelevant klingen, aber sie setzen zwei Handlungsstränge aus der letzten Episode ("Baby im Korb") fort: Die Beziehung zwischen Tonis Praxispartnerin Luise (Wolke Hegenbarth) und ihrem Lebensgefährten ist nicht mehr zu retten. Sami (Marcel Mohab) hat seine Sachen gepackt, stürzt beim Auszug jedoch so unglücklich, dass er ein Schädel-Hirn-Trauma erleidet; die letzten zehn Wochen sind aus seinem Gedächtnis gelöscht. Noch aus dem Krankenhaus ruft Luise ihren Freund Toni an, damit er Samis Sachen wieder einräumt. Außerdem nutzt sie die Amnesie, um dem ebenso ehrgeiz- wie antriebslosen Streifenpolizisten ein "Upgrade" zu verpassen. Sie gaukelt ihm vor, er strebe eine Kommissarslaufbahn an und sei auch sonst ein überaus aktiver Mensch. Daraufhin legt Sami eine Hyperaktivität an den Tag, die ihr auch wieder nicht behagt.
Im dritten Erzählstrang von "Das Glück der Anderen" geht es gleichfalls um einen unerwünschten Pygmalion-Effekt: Um seine Mutter (Charlotte Schwab) aus ihrer Schwermut zu befreien, hatte Tonis WG-Partner Franzl (Frederic Linkemann) im Namen ihrer Jugendliebe glühende Liebesbriefe verfasst. Beim Wiedersehen entpuppte sich Ritschie (Helmfried von Lüttichau) als Sträfling auf Freigang, der sich gegen eine kleine Aufwandsentschädigung jedoch gern auf die Scharade einließ. Prompt entwickelt sich die Sache zumindest aus Franzls Sicht in eine ähnlich unheilvolle Richtung wie Luises romantische Intrige: Aus den vorgegaukelten Gefühlen wird wahre Liebe.
Erneut ist das Ensemble ausnahmslos sehenswert, wobei Lara Grunwald, die Darstellerin von Luises kleiner Tochter Lotta, eine besondere Erwähnung verdient: Die Szenen mit dem Mädchen sind von bezaubernder Natürlichkeit. Für Katja Hutko gilt das nicht minder. Gerade angesichts des Geschicks der Regisseurin, schwere Themen im Rahmen der Reihe auch dank witzig inszenierter Momente leicht zu verpacken, ist es sehr schade, dass die ARD-Tochter Degeto sie mutmaßlich aus Quotengründen nicht fortsetzt.