Wer Verantwortung für das Gemeinwohl trage, müsse teilweise auch mit "wirklich fürchterlichen Menschen oder Regimen Verhandlungen führen", sagt der evangelische Theologen und frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Peter Dabrock im Deutschlandfunk. Denn Deutschland und Europa lägen schließlich nicht auf einer "einsamen Insel" und könnten sich nicht komplett abkoppeln. In der Frage nach der Legitimität des Gefangenenaustausches vom vergangenen Donnerstag gebe es allerdings "keine glasklare Schwarz-weiß-Lösung", sagt der Ethiker.
Er sehe hier ein Dilemma, bei dem mehrere Logiken und mehrere Ziele miteinander im Konflikt stünden. Daher sei es wichtig, den Schritt nicht leichtfertig zu rechtfertigen oder zu verurteilen. Eine wichtige Lektion sei, dass die Gesellschaft aus dieser Situation nicht ohne Blessuren herauskomme. Dabrock sagt, es sei zudem extrem schwierig, aus dieser einen Situation Konsequenzen für den Umgang mit Russlands Machthaber Wladimir Putin zu ziehen. Leider sei die Befürchtung nicht unrealistisch, Putin könne den Austausch als Freibrief nutzen, um demnächst wieder Menschen unter einem Vorwand als Geiseln zu nehmen, damit er ein Potenzial für Verhandlungen habe.
Am Donnerstag war es zum größten Gefangenenaustausch seit dem Ende des Kalten Kriegs zwischen dem Westen und Russland gekommen. Insgesamt 24 Gefangene aus mindestens 6 Ländern waren ausgetauscht worden, darunter der US-amerikanische Journalist Evan Gershkovich, der britisch-russische Dissident und Pulitzer-Preisträger Wladimir Kara-Mursa, sowie der in Deutschland verurteilte Russe Wadim Krassikow, bekannt als sogenannter Tiergarten-Mörder.