Der Großteil seien Senioren gewesen, vermutlich mit Vorerkrankungen im Herz-Kreislauf-System, sagt der ausgebildete Rettungsschwimmer und Sprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Bayern, Michael Förster, zum UN-Welttag der Prävention gegen das Ertrinken (25. Juli). Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erzählt er, wo Gefahren lauern, worauf man achten sollte, bevor man ins Wasser geht - und warum Eltern das "Seepferdchen" nicht überschätzen sollten.
epd: 62 Menschen sind im vergangenen Jahr in Bayern ertrunken. Wer ist denn besonders gefährdet?
Förster: Das kann man ganz gut eingrenzen. Die größte Gruppe der Ertrunkenen - nämlich rund 40 Prozent in den vergangenen Jahren - waren Senioren, vermutlich mit Vorerkrankungen. Wenn man bei Hitze zu schnell ins kalte Wasser eines Sees geht, ist das für den Körper anstrengend. Wer eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hat, sollte besonders vorsichtig sein. Bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall im Wasser kann man nicht mehr viel machen. Die Leute werden bewusstlos und gehen sang- und klanglos unter.
Aber auch an Badeseen gibt es doch Rettungsschwimmer, oder?
Förster: Bei Senioren herrscht aber eine Besonderheit: Die gehen oft gern allein schwimmen, abseits des großen Trubels, wo nicht viel los ist. Das sind Genussschwimmer. Wenn dann aber gesundheitliche Probleme auftauchen, dann bekommt es erstmal keiner mit. Wir raten daher Senioren, dass sie erst ihren Arzt fragen sollten, bevor sie allein im See schwimmen gehen.
... oder dass sie eher ins Schwimmbad gehen?
Förster: Ein Hotspot von Badeunfällen sind die oberbayerischen Seen. Die sind sehr reizvoll, man hat dort einen wunderschönen Blick auf die Alpen. Da ist Schwimmen schon ein Genuss. Aber klar: Im Schwimmbad ist das Wasser wärmer und damit weniger anstrengend für den Körper, es gibt vor allem eine Badeaufsicht und man sieht immer den Boden im klaren Wasser. Wenn jemand ertrinkt, dann in erster Linie in öffentlichen Gewässern wie Seen oder Flüssen.
"Ein Hotspot von Badeunfällen sind die oberbayerischen Seen"
Was also tun, um das Risiko in Badeseen zu verringern?
Förster: Das tun, was man schon als Kind gelernt hat. Nicht überhitzt ins Wasser springen, sondern sich abduschen oder sich langsam an die Wassertemperatur gewöhnen, indem man den Körper nach und nach nassspritzt.
In der Nähe von Städten gibt es viele Baggerseen. Die können für Nichtschwimmer sehr gefährlich werden, denn: Das Ufer fällt zunächst langsam ab - und dann plötzlich ganz steil mehrere Meter tief. Das sieht man im Wasser aber kaum. Wer da den Boden unter den Füßen verliert und nicht schwimmen kann, geht ganz schnell unter. Und natürlich, ganz klar: kein Alkohol. Wer Alkohol getrunken hat, überschätzt gern die eigenen Fähigkeiten und unterschätzt die Gefahren des Wassers.
Was können andere Badegäste tun?
Förster: Aufmerksam sein, andere auf Gefahren hinweisen und im Notfall helfen. Dazu sollte man wissen: Ertrinkende schreien in der Regel nicht. Sie versuchen sich noch mühsam über Wasser zu halten. Zeit und Kraft für Schreien oder Winken, um auf sich aufmerksam zu machen, haben sie nicht.
"Ertrinkende schreien in der Regel nicht. Sie versuchen sich noch mühsam über Wasser zu halten"
Was halten Sie eigentlich von Schwimmhilfen für Kinder? Wiegen die Eltern sich da nicht in falscher Sicherheit?
Förster: Eltern sollten Kinder, die nicht sicher schwimmen können, niemals aus den Augen lassen und sogar in Griffnähe bleiben. Die Schwimmhilfen bieten keine hundertprozentige Sicherheit, sie können falsch verwendet werden oder Luft verlieren. Achtung ist auch dann geboten, wenn Kinder das "Seepferdchen" haben.
Warum?
Förster: Das "Seepferdchen" ist eher ein Nichtschwimmer-Abzeichen und als Motivation für die Kinder gedacht, sich weiter mit dem Schwimmen zu beschäftigen. Auch hier gilt: die Kinder niemals aus den Augen lassen. Ein sicherer Schwimmer ist man erst, wenn man das Bronze-Schwimmabzeichen schafft. Mein Rat an die Eltern: einfach mal den Bademeister im örtlichen Schwimmbad fragen, ob das Kind bei ihm das Bronze-Schwimmabzeichen machen darf. Da bekommt man in der Regel auch wertvolles Feedback zu den Schwimmfähigkeiten des Kindes.
Während der Corona-Pandemie hatten die Schwimmbäder geschlossen, auch Schwimmkurse sind ausgefallen. Haben die Kinder das inzwischen aufgeholt?
Förster: Wahrscheinlich gibt es immer noch eine coronabedingte Lücke. Dazu kommt, dass es immer weniger Schwimmunterricht an Schulen gibt, viele Schwimmbäder schließen oder verkürzen die Öffnungszeiten. Wir bemerken auch soziale und kulturelle Faktoren: Manche Eltern fühlen sich überfordert, sich um einen Schwimmkurs zu kümmern. Und in manchen Kulturen ist Schwimmen einfach nicht üblich. Wir bekommen häufig mit, dass vor allem Familien mit muslimischem Hintergrund nicht wollen, dass Mädchen Schwimmen lernen oder sich vor Jungs und Männern in Badekleidung zeigen.
Die Wartelisten für Schwimmkurse sind vielerorts lang. Manchmal muss man monatelang warten, bis ein Platz frei wird. Können Eltern auch selbst ihren Kindern das Schwimmen beibringen?
Förster: Natürlich können sie das. Die DLRG unterstützt Eltern dabei und stellt im Internet Videos zum richtigen Brustschwimmen zur Verfügung. Kinder sollten spielerisch ans Wasser gewöhnt werden, das fängt schon beim Duschen oder in der Badewanne an. Wenn die Kinder mit Wasser vertraut sind, können Eltern mit ihnen erst den Beinschlag üben, dann den Armschlag und zuletzt die richtige Atmung.
Aber sinnvoller wäre schon ein Schwimmkurs, weil die Ausbilder gründlich geschult sind, außerdem lernen Kinder besser bei Fremden. Von denen lassen sie sich eher was sagen als von ihren Eltern.