TV-Tipp: "Contra"

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15. Juli, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Contra"
Alter weißer Mann in privilegierter Position gegen Einwanderertochter aus schwierigen sozialen Verhältnissen: Das verspricht eine Menge Zündstoff.

Zum Glück haben Doron Wisotzky (Buch) und Sönke Wortmann (Regie) darauf verzichtet, die Konfrontation weichzuspülen, weshalb sich sensible Menschen über einige Dialoge empören dürften. Gerade die Wortgefechte machen jedoch den Reiz von "Contra" aus: Christoph Maria Herbst trägt die rassistischen Spitzen des arroganten Frankfurter Juraprofessors Richard Pohl mit derart süffisanter Contenance vor, dass sie großes Vergnügen bereiten. Das darf natürlich nicht sein, und weil es schon häufiger Beschwerden über den hoch angesehenen Juristen gab, droht ihm nun ein Disziplinarverfahren. Sein Freund und Uni-Präsident Lambrecht (Ernst Stötzner) gibt ihm eine letzte Chance: Pohl soll eine Jurastudentin auf den nächsten Debattierwettbewerb vorbereiten. Als Kandidatin wird allerdings ausgerechnet Naima Hamid (Nilam Farooq) erkoren, jene junge Frau, die von Pohl aufgrund ihrer arabischen Herkunft diskriminiert worden ist, als sie es gewagt hat, ein paar Minuten zu spät zu seiner Vorlesung zu erscheinen. 

Wie diese an den Originalschauplätzen des Frankfurter Campus entstandene Variation von George Bernard Shaws Schauspiel "Pygmalion" weitergeht, ist wenig überraschend: Die anfangs rhetorisch ungelenke junge Frau wandelt sich dank Pohls Unterricht zu einer brillanten Debattiererin, die schließlich sogar ins Finale des landesweiten Uni-Wettstreits einzieht. Auch der emotional erkaltete Pohl darf zeigen, dass sich hinter seinem Zynismus positive Seiten verbergen, zumal offen bleibt, ob er wirklich Rassist oder bloß ein Provokateur ist. Immerhin wird den beiden nicht auch noch eine Romanze angedichtet.

 

Sehenswert ist "Contra" daher vor allem wegen der Courage, sich auf dünnes Eis zu begeben, denn Pohl spricht vielen Menschen aus der Seele. Dass er plumpe Klischees meidet und seine diskriminierenden Vorbehalte formvollendet vorträgt, macht die Sache nicht besser, im Gegenteil. Es gibt nicht viele deutsche Schauspieler, die einen Intellektuellen derart glaubwürdig und mit so viel spürbarem Vergnügen an ausgefeilten Texten verkörpern können wie Christoph Maria Herbst. Dank seiner Bühnenerfahrung sind ihm komplexe Monologe nicht fremd, aber das Drehbuch beschert ihm durchgehend ausgefeilte Formulierungen. Darin liegt ein weiterer Reiz des Films: Pohl wird vom ersten Moment als Widerling eingeführt, doch Herbst verleiht ihm die verführerische Erotik des Esprits. 

Umso wichtiger war die Wahl der Gegenspielerin. Auch in dieser Hinsicht haben die Verantwortlichen Mut bewiesen, indem sie die Rolle nicht ähnlich prominent, sondern mit der bis zum Kinostart 2021 nur wenig bekannten gebürtigen Berlinerin Nilam Farooq besetzten. Das war ziemlich clever, denn ein weiblicher Star hätte sich von Anfang auf Augenhöhe mit Herbst befunden.

Schauspielerisch war die Entscheidung ohnehin exzellent, denn die für "Contra" mit dem Bayerischen Filmpreis geehrte Tochter eines pakistanischen Vaters und einer polnischen Mutter macht ihre Sache ganz ausgezeichnet. 
Bis 2019 gehörte Farooq, zuletzt Star der ARD-Serie "Wo wir sind, ist oben", zum festen Ensemble der ZDF-Serie "Soko Leipzig". Erstmals wirklich aufgefallen ist sie als Hauptdarstellerin des sehenswerten Horrorfilms "Heilstätten" (2018). Auch sie profitiert natürlich von den Dialogen, selbst wenn sich der Wandel vom rhetorischen Aschenputtel zur gewandten Rednerin etwas schnell vollzieht. Wichtiger für die Glaubwürdigkeit der Rolle ist ohnehin Naimas marokkanischer Hintergrund, der zudem ein bezeichnendes Licht auf das deutsche Asylrecht wirft: Sie ist in Deutschland geboren, aber ihre Familie ist nur geduldet. Außerdem ist sie mit einem Bruder (Mohamed Issa) geschlagen, der diesen Status regelmäßig gefährdet. Dass die Schwester immer wieder für ihn einspringen und im Morgengrauen Zeitungen austragen muss, ist nicht gerade die beste Vorbereitung für den pünktlich um 8 Uhr beginnenden Unterricht bei Pohl. 

Wisotzky hat unter anderem für Matthias Schweighöfer die Drehbücher zu "What a Man" und "Schlussmacher" (2011/13) geschrieben, aber die Meriten für die Idee zu "Contra" gebühren dem Franzosen Yvan Attal, dessen Film "Die brillante Mademoiselle Neïla" (2017) als Vorlage diente; dort hat Daniel Auteuil die männliche Hauptrolle gespielt. Der Kern der Geschichte ist der gleiche, aber Wisotzky hat diverse Details verändert, von den famosen Dialogen ganz zu schweigen. Wie schon bei Wortmanns Satire "Der Vorname" (2018) ist dem Film ohnehin nicht anzumerken, dass er nicht auf einem Originaldrehbuch basiert.