Die Kraft der Kommunikation

Homosexuelles Paar vor Kirche
Getty Images/iStockphoto/Tony Marturano
Im mission.de-Blogbeitrag geht es über die Sensation in Bezug auf LGTBQI-Rechte, die die Generalkonferenz der United Methodist Church (UMC) in diesem Frühling erlebte.
Blog von mission.de
Die Kraft der Kommunikation
Vorher wurde sie immer wieder gefragt: "Warum tust du dir das an?". Doch was Anne-Marie Detjen auf der Generalkonferenz der United Methodist Church (UMC) erlebte, entpuppte sich als eine Sensation: Die UMC beschloss die Streichung der Aussage der Unvereinbarkeit von Homosexualität mit christlicher Lehre mit überwältigender Mehrheit aus ihrer Kirchenordnung. Anne-Marie Detjen, Pastorin und Delegierte, berichtet von dieser besonderen Generalkonferenz.

Warum tust du dir das wieder an? – Dieser Satz bezog sich auf die beiden vergangenen Treffen der Generalkonferenz in 2016 und 2019, von denen die meisten Delegierten enttäuscht und teils sogar desillusioniert wieder heimgekehrt waren. Dieses oberste kirchliche Gremium hatte es jeweils nicht geschafft, sich in wichtigen kirchenpolitischen Fragen zu einigen oder wenigstens kleine Schritte zu gehen, die ahnen ließen, dass alle diesen eingeschlagenen Weg mitgehen könnten. Besonders die Fragen zur Ehe gleichgeschlechtlicher Paare und zur Ordination von LGBTQIA* Personen machten deutlich, wie uneins, ja zerstritten die Kirche war. Entscheidungen, die beim letzten Treffen, das eigens wegen dieser Fragestellung zusammengerufen wurde, getroffen wurden, gingen meist mit Abstimmungen von 47 – 53 Prozent aus. Einige riefen Halleluja, während andere sich nicht einmal sicher waren, ob das noch ihre Kirche sei und welcher Geist hier gerade wehte.

Manchenorts ist schon die Diskussion über Homosexualität tabu

Dabei machen die weltweite Organisation der Kirche und die vielen verschiedenen Herkunftskulturen der Delegierten die Diskussion um diese Fragen nicht leichter: Personen, die aus Kulturen und Ländern stammen, in denen allein die Diskussion um Homosexualität tabu ist, sitzen genauso am Tisch, wie queere Delegierte aus Ländern, in denen diese Fragen auch innerhalb der Zivilgesellschaft mittlerweile ganz offen angesprochen werden. In diesem Miteinander ringen wir also um die Kirchenordnung und die Art und Weise wie die UMC zu diesen Themen Stellung nimmt – immer mit dem Wissen, dass es sich nicht rein um Fragen und Themen handelt, sondern um Menschen, die in unseren Gemeinden eine Heimat haben, deren Angehörige und Freunde ganz genau darauf schauen, was wir beraten und wie wir entscheiden.

Warum also wollte ich mir das wieder antun? Einerseits, weil ich als unverbesserliche Optimistin grundsätzlich erst einmal glaube, dass in jeder Krise eine Chance steckt und alle das Beste für ihre Kirche wollen. Und andererseits, weil ich davon überzeugt bin, dass es einen Weg geben musste, diese Pattsituation aufzuheben und die Streitigkeiten zu beenden. Ja, ich war mir sicher: Es musste doch möglich sein, in aller Uneinigkeit dennoch gemeinsam unterwegs zu sein! Und dafür würde ich auch dies Mal wieder meine Kraft einsetzen und lange Sitzungstage in Kauf nehmen. Nicht nur mir ging es so: Viele Delegierte waren nach 2019 erneut dabei und hofften auf eine Konferenz, bei der die UMC endlich einen Ausweg aus ihrer kritischen Situation finden würde.

Die Ehe für zwei erwachsene Partner:innen ist nun möglich

Und diese Beharrlichkeit sollte belohnt werden. Einerseits ist es sicherlich darauf zurückzuführen, dass ein Teil der eher traditionell-konservativ ausgerichteten Gemeinden in den USA seit der letzten Tagung aus der Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) ausgeschieden sind. Aber ungeachtet dessen waren immer noch viele Stimmen im Raum, die deutlich machten, dass für sie eine Öffnung der Kirchenordnung nicht in Frage käme. Wie kam es also trotzdem zu der Entscheidung, dass die Delegierten der UMC nun den ganzen Paragraphen mit dem Satz "the practice of homosexuality is incompatible with christian teaching" aus der Kirchenordnung strichen und die Ehe für "einen Mann und eine Frau ODER für zwei erwachsene Partner:innen" ermöglichten?

Zum einen, weil es gleichzeitig den Vorstoß gibt, den einzelnen Regionen dieser weltweiten Kirche mehr Raum zur Adaption der Kirchenordnung zu geben, die für den jeweiligen missionalen Kontext notwendig ist. Nur durch die "Regionalisierung" und dadurch auch die Möglichkeit, konservativere oder progressivere Haltungen einzunehmen, waren die Delegierten bereit, diesen Weg zu gehen. Schon hier zeigte sich, dass intensive Zusammenarbeit und offene Kommunikation entscheidende Faktoren sein würden, die Arbeit der Generalkonferenz zu verändern. Immerhin war es ein Zusammenschluss von vielen verschiedenen Personen aus allen Regionen, in denen die UMC vertreten ist, die diese Anträge gemeinsam einbrachten.

Erfolgsrezept: Regionalisierung und Kraft der Kommunikation

Daher bin ich überzeugt, dass neben dem Regionalisierungsvorstoß, die Kraft der Kommunikation der zweite entscheidende Faktor war, der die gesamte Atmosphäre der Generalkonferenz beeinflusst hat. Denn zu den bisherigen Konferenzen sind die meisten Delegierten erst wenige Tage vorher angereist und haben dann bald die Arbeit aufgenommen und an den vorliegenden Anträgen gearbeitet. Dass man vorher miteinander ins Gespräch kam und sich über die vorliegenden Themen austauschte, war nicht der Fall. In diesem Jahr wurde bewusst eine Orientierungseinheit vorweg gesetzt, bei der sich die internationalen Delegierten über die vorliegenden Themen austauschen sollten. Dabei wurde darauf geachtet, dass man immer wieder über Länder- und Kontinentalgrenzen hinweg miteinander Kontakt aufnahm, Gespräche suchte und Diskussionen in einem kulturell übergreifenden Rahmen stattfanden.

Und was für eine Bereicherung war das! Zu erfahren, wie sich die kirchlichen Lebenswirklichkeiten einer jungen Laiendelegierten aus dem ländlichen Nigeria darstellen, ist dabei ebenso hilfreich, wie zu hören, was eine pastorale Delegierte in ihrem Kontext erlebt, die in einer norwegischen Gemeinde nördlich des Polarkreises tätig ist und dort viel mit Migrant*innen aus der Ukraine arbeitet. Wieder andere, missionale Kontexte erlebt der Pastor aus Mindanao, Philippinen, der berichtete, seine Kirche sei in einem Ort, der hauptsächlich von Muslim*innen bewohnt wird und müsse sich vor allem in dieser Hinsicht behaupten, und wiederum anders ging es mir, die ich meistens erst einmal damit konfrontiert bin, dass ich in einer in Deutschland eher unbekannten Freikirche arbeite. Wir erlebten, dass wir alle Teil der einen UMC sind – und doch unterschiedliche missionale Bedürfnisse haben und daher die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirche überwinden wollen.

Als schließlich die Aussage der "Unvereinbarkeit von Homosexualität mit christlicher Lehre" mit 92 Prozent Zustimmung aus der Kirchenordnung gestrichen wurde, war ich endgültig davon überzeugt, dass es neben dem Wirken Gottes das aufrichtige Miteinanderreden, das Suchen nach Verstehen und das ehrliche Zuhören ist, das uns so weit gebracht hat. Und wegen solcher Momente weiß ich es dann: Darum tue ich mir das an.

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