Inklusives Projekt: Smartphones beim Turmbau zu Babel

Probe des Tanzprojekts
epd-bild/Lorenz-Stiftung
Beim inklusiven Tanzprojekt "Babylon" tanzen Menschen mit und ohne Behinderung nach biblischen Vorlagen.
Tanzstück "Babylon"
Inklusives Projekt: Smartphones beim Turmbau zu Babel
Das inklusive Tanzprojekt "Babylon" verarbeitet die biblische Vorlage zu einer Erzählung über die Moderne: Die Kommunikation ist so leicht wie nie, aber niemand will mehr einander zuhören. Zu Gast bei einer Probe vor der Aufführung im Juli.

Und plötzlich verstehen sich die Menschen nicht mehr. Wo die Kulturen zwar schon vorher verschieden waren, der Tanz sie aber miteinander verbunden und gleichgestellt hat, herrscht nun Tristesse: Bunte Kostüme weichen weißen Masken mit emotionsloser Mimik, die orchestrale Sound-Kulisse verwandelt sich in ein undurchdringbares Wirrwarr aus schrillen, elektronischen Klingeltönen und Polizeisirenen. Und niemand mehr schaut aneinander an, sondern nur noch auf das Smartphone. Spätestens jetzt ist klar: Das inklusive Tanzprojekt "Babylon" hat etwas mitzuteilen.

Laut der Frankfurter Lorenz-Stiftung, die sich für Integration und Inklusion engagiert und das Projekt ins Leben gerufen hat, soll "Babylon" das Miteinander über soziale Schichten hinweg fördern: zwischen Profis und Amateuren, zwischen den Generationen und zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.

Als großes Finale einer Trilogie von Tanzprojekten der Stiftung, die bereits 2015 mit der "Schöpfung" begann und vier Jahre später mit der "Arche" fortgesetzt wurde, sind die Dimensionen auch dieses Mal gewaltig: Insgesamt wirken mehr als 200 Personen an dem Stück mit, das verschiedene Tanzgruppen, einen Gebärdenchor, Schüler:innen aus Frankfurter Schulen und Menschen mit Beeinträchtigungen vereint.

"Babylon" entsteht innerhalb eines Jahres, in dem die einzelnen Gruppen häufig für sich, immer wieder aber auch gemeinsam in der Frankfurter Wöhlerschule proben. Ein Besuch dort zeigt, welch organisatorischen Aufwand das für den Regisseur Miguel Zermeno mit sich bringt. Bis zur Aufführung am 9. Juli im Sendesaal des Hessischen Rundfunks muss für einige Abläufe noch das richtige Timing gefunden werden, doch die Botschaft des Stücks ist bereits ersichtlich: "Wir haben die Geschichte vom Turmbau zu Babel aktualisiert", erklärt Zermeno.

Eine Botschaft der Hoffnung

Der Kniff: Dass sich die Menschen nicht mehr verstehen, liegt, anders als in der biblischen Vorlage, nicht mehr nur daran, dass sie nach göttlicher Intervention plötzlich allesamt ganz unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Szene mit den Smartphones beispielsweise macht deutlich: Die Kommunikationswege sind heutzutage so vielfältig und einfach zu nutzen wie noch nie. Und trotzdem: "Bei den wichtigen Themen der Welt - Ökologie, Soziales - hören die Menschen einander nicht mehr zu", moniert Zermeno. Stattdessen erstarke etwa der Nationalismus. Ein "Horrorfilm" solle das Stück aber nicht werden, die Botschaft sei letztlich eine der Hoffnung. Dafür verwendet das Stück biblische Motive und bekannte Figuren wie Scheherazade. Die Handlung ist aber versetzt aus der Vergangenheit in die Gegenwart.

Wie wichtig das Stück den Darstellern ist, macht Schauspielerin Johanna Griesfeller deutlich, die wegen ihrer Behinderung im Rollstuhl sitzt und sprachlich eingeschränkt ist. Wenn sie könnte, erzählt sie, würde sie "auf jeden Fall beruflich schauspielern wollen". Griesfeller war auch bei den vorigen Produktionen dabei, für "Babylon" hat sie dieses Mal gleich mehrere Rollen bekommen. "Ich war ganz erstaunt, wie viel mir Miguel zutraut", sagt sie gleichermaßen stolz und bescheiden. Schließlich hat sie auch schon in anderen Theatern mitgespielt und war sogar im Fernsehen zu sehen. Vor allem "der Zusammenhalt und die große Gemeinschaft" sind für sie bei diesem Projekt am wichtigsten.

Herauszufinden, welche Bewegungen welcher Person zur Verfügung stehen, ist Teil der Arbeit von Tanztherapeutin Katharina Weil. Sie ist mit dem Evangelischen Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM) am Projekt beteiligt, spielt und unterstützt selbst auf der Bühne. Im Zusammenspiel mit Menschen mit Beeinträchtigung sei es wichtig, "Impulse voneinander aufzunehmen" und dem Entstehungsprozess des Stücks Zeit zu geben, sagt sie. Anstelle einer fertigen Choreografie, die von Beginn an feststeht und so auch umgesetzt werden muss, entwickle sich "Babylon" auch kurz vor der Aufführung im Juli noch weiter.

Einen Zweifel daran, dass alle Abläufe, Akteure und Inhalte von "Babylon" rechtzeitig zueinander finden, ist während der großen gemeinsamen Probe nicht zu vernehmen. Stattdessen gilt, was der Untertitel des Stücks auf den Punkt bringt: "Miteinander reden ist Gold".

Info: Die Aufführung von "Babylon" findet am 9. Juli im Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main (Bertramstraße 8, 60320 Frankfurt am Main) statt. Karten gibt es unter anderem über die Internetseite des Stücks ab 25 Euro.
Internet: Internetseite zu "Babylon": https://www.miteinander-reden-ist-gold.com/