Anders als die Kollegen sind Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner keine Stars, zumal der SWR in der Regel auch auf prominente Gäste verzichtet. All’ das lässt den "Tatort" aus Freiburg oft etwas freudlos erscheinen, was sowohl für die Geschichten wie auch die allerdings sehr authentisch wirkenden Umsetzungen gilt. Bei der Auswahl der Regisseurinnen und Regisseure stehen ohnehin künstlerische Aspekte im Vordergrund. Das ist bei der zwölfte Episode nicht anders: Regie führte der durch Familiendramen wie "Ende der Saison" (2001) oder "Familienkreise" (2003) bekannt gewordene mehrfache Grimme-Preisträger Stefan Krohmer; Wagner hat einst in dessen Satire "Sie haben Knut" (2003) seine erste Hauptrolle gespielt.
Typisch für den Kunstanspruch von Krohmers Debüt beim Freiburg-"Tatort" ist die Musik, die meist bloß Klangtupfer setzt. Der Film beginnt mit einer verwirrenden Vielzahl unterschiedlichster Eindrücke, die in keinerlei Zusammenhang zu stehen scheinen; tatsächlich erschließt sich erst viel später, was die verschiedenen Ebenen miteinander verbindet. Die obligate Leiche, eine erdrosselte Psychotherapeutin, findet sich im Kofferraum eines Autos, das auf einem Parkplatz beim Freiburger Hausberg Schauinsland abgestellt worden ist.
DNS-Spuren im Inneren des Wagens führen umgehend in eine forensische Klinik. Weil der verurteilte Vergewaltiger Hansi Pagel (Rüdiger Klink) unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, verbüßt er seine Strafe nicht in einer JVA, sondern in der Psychiatrie. Das Mordopfer, Lisa Schieblin, wollte ihm als externe Gutachterin zur Freilassung verhelfen. Pagel hätte also keinen Grund gehabt, die Frau umzubringen, im Gegenteil; allerdings hat er verbotenerweise just zur Tatzeit mit der Psychiaterin einen Ausflug zum Schauinsland gemacht, und zwar ohne die vorgeschriebene Begleitung durch eine Aufsicht. Als er später versucht, sich mit Medikamenten das Leben zu nehmen, scheint der Fall klar: Den Mörder plagte das schlechte Gewissen.
So einfach macht es das Drehbuch (Stefanie Vieth) dem Duo Franziska Tobler und Friedemann Berg natürlich nicht; die Auflösung der Geschichte wird selbst erfahrene Krimifans überraschen. Bis dahin müssen allerdings noch einige Familienszenen ertragen werden: Pagels Mischpoke ist alles andere als ein Vergnügen und lässt den mutmaßlichen Mörder und angeblichen Vergewaltiger seiner reichlich seltsamen Frau (Angelika Richter) in ganz anderem Licht erscheinen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Sohn Leo (Anton Dreger) ist ein vierschrötiger Typ, dem allerlei Untaten zuzutrauen sind. Die einzige, die etwas für Hansi empfindet, ist seine Tochter (Lara Koller). Kein Wunder, dass sich das Ermittlungsduo alsbald fragt, ob die gegen Pagel erhobenen Vorwürfe, er habe seine Familie nach Strich und Faden gedemütigt und tyrannisiert, wirklich der Wahrheit entsprechen. Ein Narzisst ist er allerdings in der Tat: Mit Zurückweisungen kommt er gar nicht klar, weshalb er auf eine Provokation durch Berg prompt handgreiflich reagiert; fortan wird er ruhiggestellt und ans Bett fixiert.
Geschichten, die zu großen Teilen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik spielen, müssen sich automatisch an "Einer flog übers Kuckucksnest" messen lassen, was im Fall eines braven ARD-Sonntagskrimis natürlich unfair ist, zumal niemand aus dem Ensemble das Charisma von Jack Nicholson hat. Anders als in Miloš Formans Klassiker (1975) ist das Personal hier ausgesprochen freundlich und zugewandt; erst nach und nach zeigt, dass der Klinikleiter (Falilou Seck) und seine Stellvertreterin (Ulrike Arnold) gewisse Geheimnisse hüten.
Eine interessante Figur ist auch Pagels düsterer Zimmernachbar (Bekim Latifi), der den Älteren offenbar zum väterlichen Freund erkoren hat. Die Arbeiten Krohmers zeichnen sich stets durch vorzügliche Ensemble-Leistungen aus; auch "Letzter Ausflug Schauinsland" ist in dieser Hinsicht sehenswert. Die optische Umsetzung ist allerdings, freundlich formuliert, recht unauffällig. Ungewöhnlich ist allein ein riesiger Waran, der immer wieder mal als Vision durchs Bild kriecht.