"Zwei Männer und ein Kamel" trifft auf diesen Film wohl eher zu, würde die Komplexität der Geschichte, zum Kinostart vom Verleih nicht zu Unrecht als "göttliche Komödie" angepriesen, aber immer noch fahrlässig reduzieren, schließlich könnten die beiden Protagonisten kaum unterschiedlicher sein: Ben (Luzer Twersky) ist ein orthodoxer Jude um die dreißig aus New York, der deutlich ältere Adel (Hitham Omari) ist der Enkel des mutmaßlich letzten ägyptischen Beduinen und natürlich Moslem. Die Handlung trägt sich größtenteils auf dem Sinai zu: Über weite Strecken beschränkt sich die Kamera darauf, den beiden Männern dabei zuzuschauen, wie sie durch den Sand stapfen. Das birgt zwar einen gewissen Nervenkitzel, weil ihnen das Wasser auszugehen droht, aber ansonsten passiert nicht viel.
Dass "Nicht ganz koscher", immerhin zwei Stunden lang, dennoch ausgesprochen kurzweilig ist, liegt zum einen an der Rahmenhandlung und zum anderen an der widerwilligen Freundschaft, die zwischen Ben und Adel entsteht: Stefan Sarazin und Peter Keller, die gemeinsam für Buch und Regie verantwortlich sind, erzählen ein Road-Movie, auch wenn von Straßen alsbald keine Rede mehr sein kann; und in diesem Genre geht es gern darum, dass Gegensätze zueinander finden. Für Spannung sorgt zudem der Zeitdruck, unter dem Ben steht: Die kleine jüdische Gemeinde in Alexandria braucht dringend einen zehnten Mann, um das bevorstehende Pessachfest feiern zu können; ansonsten fällt laut einer uralten Vereinbarung ihr gesamter Besitz an die ägyptischen Behörden.
Ben ist von seinem Vater nach Jerusalem geschickt worden, um endlich zu heiraten, dabei ist er heimlich in eine Frau verliebt, die seine ultraorthodoxe Familie nie akzeptieren würden. Also erklärt er sich umgehend bereit, die Lücke zu schließen und der ältesten jüdischen Gemeinde in der Diaspora aus der Patsche zu helfen, doch das ist gar nicht so einfach: Erst verpasst er den Flug, dann muss er mitten im Nirgendwo den ägyptischen Bus verlassen, weil die einheimischen Fahrgäste keinen Juden zwischen sich dulden, und schließlich gerät er an Adel, der ihn zwar mitnimmt, aber in erster Linie sein entlaufenes Kamel sucht. Als das Auto den Geist aufgibt, müssen sie zu Fuß weiter; und die Zeit läuft unerbittlich ab.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
All’ das wäre schon allein wegen der Idee des umgekehrten Exodus’ Stoff genug für eine fröhliche Komödie, aber "Nicht ganz koscher" ist, wenig überraschend, vor allem ein Film über die Verständigung zwischen den Religionen, weil sich die Männer buchstäblich über Gott und die Welt austauschen. Die Qualität des Drehbuchs liegt dabei im konsequenten Verzicht auf erhobene Zeigefinger und jedwede Moralapostelei. Besonders sympathisch ist der ironische Ansatz: Aus Sicht des pragmatischen Adel könnte der fremdartige Ben auch von einem anderen Planeten stammen; über die sechshundert Ge- und Verbote des jüdischen Glaubens kann er nur den Kopf schütteln. Trotzdem ist er bereit, sein Leben für diesen seltsamen jungen Mann zu riskieren, der kostbares Trinkwasser für rituelle Waschungen verschwendet.
Der Film verblüfft immer wieder durch überraschende Entdeckungen und Wendungen, darunter ein mitten in der Wüste gestrandetes Boot oder die unglaubliche Befreiung des ungleichen Duos aus einem Brunnen. Ein echter Knüller ist jedoch das Finale: Die beiden werden zwar in höchster Not von christlichen Mönchen gerettet, aber Ben ist viel zu entkräftet, um seine Mission zu erfüllen; und spätestens jetzt erweist sich Adel mit Hilfe der Christen als bester Freund, den man haben kann. Der märchenhafte Epilog schließlich sorgt endgültig dafür, dass die Geschichte viel zu schön ist, um wahr zu sein.
Sarazin und Keller haben bereits 2011 für die Geschichte den Deutschen Drehbuchpreis bekommen; so lange hat es gedauert, bis sie den 2022 in die Kinos gekommenen Film endlich realisieren konnten. Das Warten hat sich mehr als gelohnt, zumal Kameramann Holger Jungnickel für grandiose Wüstenbilder gesorgt hat; die Aufnahmen sind im jordanischen Wadi Rum entstanden, wo einst "Lawrence von Arabien" gedreht worden ist. Großen Anteil an der Beschwingtheit des sehr angenehm synchronisierten Films hat auch die Musik von Matthias Petsche. Die deutsche Film- und Medienbewertung hat "Nicht ganz koscher" das Prädikat "Besonders wertvoll" verliehen.