Während der Vernissage einer Fotoausstellung wird ein Geschäftsmann erschossen. Rasch stellt sich raus, dass sein Neffe eine Affäre mit der nun zur Witwe gewordenen Gattin hatte; der Fall scheint klar, zumindest aus Sicht des Publikums. Aus Sicht von Polizeihauptmann Furrer (Pierre Kiwitt) ebenfalls, allerdings kommt er zu einem anderen Schluss. Kurz vor seinem Tod hat sich Jürg Altwegger (Steffen Münster) mit dem italienischen Restaurantbesitzer Lazzari (Michele Cuciuffo) über das Catering gestritten: Der Unternehmer wollte nur die Hälfte zahlen, weil der Wein angeblich nicht in Ordnung war.
Bringt man deshalb jemanden um? Sarkastisch belehrt Borcherts Kanzleipartnerin Dominique Kuster (Ina Paule Klink) ihren Freund Furrer: Wenn jeder Streit um Geld tödlich enden würde, wäre Zürich ein Friedhof. Die Schmauchspuren sprechen allerdings gegen den Italiener. Trotzdem übernimmt Borchert die Verteidigung: Er hat einen Verdächtigen am Tatort gesehen; außerdem mag er Lazzaris Frau (Clelia Sarto).
So weit, so normal. Roland Suso Richters Beiträge für die Donnerstagsreihe waren allesamt sehenswert und zum Teil sogar herausragend; sein zehnter "Zürich-Krimi" (Erstausstrahlung war 2022) scheint sich zunächst jedoch allein durch die vorzügliche Bildgestaltung seines bevorzugten Kameramanns der letzten Jahre, Max Knauer, auszuzeichnen. Dass der Unbekannte, den Borchert für den Mörder hält, seinerseits erschlagen wird, passt ebenfalls ins übliche Krimibild: Wenn der Hauptverdächtige aus dem Leben scheidet, gehen die Ermittlungen wieder von vorne los.
Zu einem mehr als sehenswerten Krimi wird "Borchert und das Geheimnis des Mandanten", als der Film seinem Titel gerecht wird: Je intensiver sich der Anwalt mit Lazzari beschäftigt, desto größer werden die Ungereimtheiten. Die Spur führt in die Vergangenheit und nach Frankfurt, wo Borchert einst gearbeitet hat. Und selbstredend ist auch die Fotografin (Julia Richter), von deren Bildern er ebenso angetan ist wie von der Dame selbst, mehr als bloß eine Flirtpartnerin.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Selbst wenn Krimiserienautor Robert Hummel mit einem Hinweis auf Lazzaris Heimat früh andeutet, welche Dimensionen dieser anfangs scheinbar übersichtliche Fall noch annehmen könnte: Die Komplexität, die das Drehbuch spätestens im letzten Drittel entfaltet, ist beachtlich, zumal mit einem früheren Staatsanwalt, der sich selbst als "gescheiterten Moralisten" bezeichnet, eine weitere faszinierende Figur auftaucht; Thomas Schindel verkörpert den todkranken Mann eindrucksvoll.
Gleiches gilt für Michele Cuciuffo, ein nicht nur dank seiner markanten Gesichtszüge sehr interessanter Schauspieler, der viel zu selten vor der Kamera steht. Kohlund wiederum zeigt erneut, wie sehr er und seine Rolle zueinander passen. Wenn Borchert mit seinem Reibeisencharme die Fotografin besprüht, lässt sich durchaus nachvollziehen, dass sie sich später mit ihm in seiner heimeligen "Absturzbar" trifft; auch wenn sie schließlich keineswegs ab-, sondern auf und davon stürzt.
Dank Kohlunds Charisma wirkt es weder wichtigtuerisch, wenn er Hegel zitiert ("Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit"), noch allzu offenkundig um Originalität bemüht, wenn er am Tag nach dem Bar-Abend verkatert feststellt: "Alles, was ich heute essen könnte, habe ich gestern getrunken."
Angesichts der schauspielerischen Leistungen und der sichtbaren Handwerkskunst fällt letztlich auch nicht weiter ins Gewicht, dass einige Aspekte den guten Gesamteindruck trüben. Dass Dominique und Furrer darüber diskutieren, ob sie zusammenziehen sollen, ist der durchsichtige Versuch, diese private Ebene fortzusetzen; und zudem völlig überflüssig.
Als Furrer dem Anwalt eine Akte zuspielt, muss Kohlund einige Stichwörter laut vorlesen, obwohl sie gut zu erkennen sind; das klingt wie ein typischer öffentlich-rechtlicher Tribut ans ältere Publikum. Irritierend ist auch ein optisches Detail kurz vor Schluss, als Knauers Kamera den Beteiligten bei einer Auseinandersetzung fast in die Nasenlöcher zu kriechen scheint. Vermutlich soll das Stilmittel die emotionale Intensität erhöhen, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Davon abgesehen sorgt der Kameramann für einen Look, der perfekt zu den zum Teil mondänen Schauplätzen passt. Das Finale, als Borchert zwischen die Fronten gerät, ist ohnehin Thriller pur.
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