Philosoph: Breites Meinungsspektrum fördern

Zwei Hände
HessenJense/photocase
Philosoph Michael Andrick warnt vor Moralisierung gesellschaftlicher Debatten.
Gesellschaftliche Debatten
Philosoph: Breites Meinungsspektrum fördern
In Anbetracht der derzeitigen Diskussionskultur fordert der Berliner Philosoph Michael Andrick in gesellschaftlichen Debatten mehr Sachlichkeit und weniger Moral. Er wünscht sich ein breites Meinungsspektrum in den Diskussionen.

Diskussionen müssten ein "echtes Meinungsspektrum haben - von einer konservativen rechten Seite bis zu einer sozialistischen oder gar kommunistischen linken Seite", sagt der Berliner Philosoph Michael Andrick dem Magazin "Wochenende" des "RedaktionsNetzwerks Deutschland". "Denn wir brauchen ein breites Meinungsspektrum, damit wir uns gut begründet eine eigene Meinung bilden können."

Die extremen Thesen seien sogar die wertvollsten, sagt der Buchautor und Publizist, dessen jüngstes Buch den Titel trägt "Im Moralgefängnis. Spaltung verstehen und überwinden". Je breiter die Palette, desto besser seien die Entscheidungen. Diese würden nach ausgiebiger Diskussion durch Kompromisse getroffen. Ihm gehe es darum, nicht verfrüht und zu viel zu moralisieren, betont Andrick. "Wenn wir darin versuchen, miteinander als Freie und Gleiche Kompromisse zu finden, muss jeder seine Überzeugungen, sogar seine moralischen Werte, so weit aufgeben, wie es für einen friedlichen Kompromiss nötig ist."

Es könne zwar in manchen Fällen richtig sein, sich einem Kompromiss zu verweigern, weil die eigenen Kernwerte berührt seien. Er wolle aber die Menschen dafür sensibilisieren, dass man diesen Schritt nicht unbewusst machen sollte, sagt Andrick. "Denn er läutet das Endspiel für die Beziehung ein. Wer die Frage in den Raum stellt, wer der Gute und wer der Böse ist, der schreibt Menschen mit abweichenden Ansichten zu, entweder böse, dumm oder unwillig zu sein, die Wahrheit anzuerkennen."

Dadurch drohe sogar die Gefahr, auf die schiefe Bahn zu totalitären Fantasien zu geraten, warnt der Philosoph. Wer glaube, die Wahrheit zu kennen, habe keinen logischen Grund, Kompromisse zu machen. Alle gewichtigen Fragen der Politik müssten aber als offen behandelt werden. Das gelte auch etwa für den Klimawandel oder die Migrationspolitik: "Was wir für die Wahrheit halten, das wird sich im Diskurs ergeben, im freien Spiel der Argumente. Und dann muss man der Mehrheitsfindung vertrauen, wenn wir denn Demokraten und nicht Fundamentalisten sind."