Und nicht nur das: Er kann sich gut vorstellen, mit Nicola Koch den Rest seines Lebens zu verbringen. Die Verschmelzung ist so perfekt, dass das Paar die gegenseitigen Gedanken lesen kann. Krimifans beschleicht dagegen schon früh ein mulmiges Gefühl: Wenn sich Kommissare verlieben, geht das meistens nicht gut aus.
Trotzdem ist "Diesmal ist es anders" ein Film, an dem es rein gar nichts auszusetzen gibt. Das Drehbuch schrieb Wolfgang Stauch, Regie führte Torsten C. Fischer. Der eine hat gerade für die Sonntagskrimis im "Ersten" diverse Vorlagen mit ungewöhnlichen Figuren geliefert, der andere hat schon oft mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär gedreht, zuletzt "Abbruchkante" (2023) im rheinischen Braunkohletagebau. Stauch und Fischer haben bereits einige Male zusammengearbeitet, unter anderem bei den sehenswerten SWR-Krimis "Emma nach Mitternacht" (2016) mit Katja Riemann. Ihre letzten gemeinsamen "Tatort"-Episoden aus Köln waren "Vier Jahre" (2022), ein origineller und clever konstruierter Film, in dem namhafte Schauspieler mit großer Spielfreude namhafte Schauspieler spielten, sowie "Der Tod der Anderen" (2021), ebenfalls ein vielschichtiger Krimi, in dem das Ermittlerduo mit einem alten DDR-Skandal konfrontiert wurde.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Diesmal ist es anders: Der Titel gilt auch für die Geschichte, und das nicht nur, weil die ausführlich geschilderte Romanze für eine völlig neue Farbe im "Tatort" aus Köln sorgt. Nach der Ermordung eines früheren Journalisten fragen sich die Kommissare, wie der arbeitslose Schreiber seinen luxuriösen Lebensstandard finanziert hat. Die Antwort entdecken sie in Form eines Haufens von Banknoten und eines umfangreichen Archivs über Dutzende Prominente, denen irgendwann in der Vergangenheit ein Ausrutscher unterlaufen ist: Der Mann war ein Erpresser.
Eine erste Spur führt zur früheren Schlagersängerin Mariella Rosanelli (Leslie Malton), aber kurz drauf auch zu Ballaufs Freundin: Das Opfer ist nachts mit einem Leihwagen überfahren worden; und Nicola (Jenny Schily) hat das Auto gemietet. Der Film verbringt viel Zeit mit dem Liebespaar, was in diesem Fall völlig angebracht ist, denn Ballauf (Behrendt) kann nicht aus seiner Ermittlerhaut. Der Beziehung tut das selbstredend nicht gut; die mustergültige Harmonie bekommt erste Risse. Dass der Kommissar seine Gedanken aus dem Off laut ausspricht und das Paar sogar telepathisch miteinander zu kommunizieren scheint, ist durchaus gewagt und ein Bruch mit den Konventionen des Sonntagskrimis, funktioniert in diesem Fall jedoch.
Abgesehen von der ungewöhnlichen und enorm dicht erzählten Geschichte ist der neunzigste "Tatort" aus Köln gerade auch schauspielerisch herausragend, zumal Fischer für sein Ensemble eine ausgezeichnete Mischung aus erfahrenen Kräften und weniger bekannten Mitwirkenden zusammengestellt hat. Leslie Malton überzeugt nicht nur darstellerisch, sondern auch gesanglich, denn natürlich muss die Sängerin irgendwann ihren großen Hit zum Besten geben.
Interessant sind auch die Frauen an der Seite der beiden weiblichen Hauptfiguren: Nicola ist Chefredakteurin von "Cologne Alive", einem Magazin für Kultur und Lifestyle. Ihre wichtigste Autorin (Annina Hellenthal) klärt Ballauf darüber auf, warum die Zeitschrift so oft über Mariella Rosanelli berichtet. Der einstige Schlagerstar wiederum leitet heute eine Stiftung, die sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche engagiert. Ihre rechte Hand und Ziehtochter (Katja Hutko) liefert sich einige Verbalduelle mit Schenk. Eine Schlüsselrolle spielt Reiner Schöne als einstiger Manager der "Kölner Chaos Chöre", der neben den Auftritten auch betreute Urlaubsfahrten organisiert hat. Über ihn schließt sich der Kreis zu den beiden Freundinnen Nicola und Mariella: Plötzlich geht es um den Missbrauch von Minderjährigen.
Ganz vorzüglich sind die Dialoge, zumal sich der verliebte Ballauf, im Revier als notorischer Streuner bekannt, einige freundliche Frotzeleien seiner Kollegen anhören muss. Irgendwann reißt Schenk allerdings auch der Geduldsfaden, als sich der Partner ausgesprochen unprofessionell verhält. Der bewegendste Moment ist dennoch eine sehr berührende Freundschaftsgeste; das Schlussbild verknüpft auf schmerzlich-schöne Weise die Gegenwart mit den Auftaktbildern des Films.