Es müssen dramatische Szenen gewesen sein in einer von der evangelischen Kirche angemieteten Wohnung im Hunsrück: Als Polizeibeamte bei einem nächtlichen Einsatz einen syrischen Kurden im Kirchenasyl festnehmen wollten, habe der Mann verzweifelt Widerstand geleistet und sei im Gerangel die Treppe hinuntergestürzt, berichtet die Büchenbeurer Pfarrerin Sandra Menzel.
Schließlich habe der Flüchtling sich selbst verletzt, um nicht nach Dänemark abgeschoben zu werden. Zwei Monate sind seit der Räumung des Kirchenasyls vergangen, aber erst jetzt hat die evangelische Kirche den Fall öffentlich gemacht - weil die Ereignisse für den Syrer verheerende Folgen hatten. Er sitzt inzwischen in Dänemark im Gefängnis.
Der Kirchenkreis sei besonders überrascht gewesen, dass das Kirchenasyl bei einem nächtlichen Polizeieinsatz ohne jedwede vorhergehende Kontaktaufnahme geräumt worden sei, ärgert sich der Superintendent des Kirchenkreises Simmern-Trarbach, Markus Risch: "Das entspricht nicht den Absprachen mit den Landeskirchen." Obwohl den Kirchen keine gesetzlichen Sonderrechte zustehen, wird das Kirchenasyl meist respektiert. Auch die in Sachen Kirchenasyl erfahrenen Verantwortlichen in Büchenbeuren sind erschüttert. Pfarrerin Menzel spricht von einem Skandal.
Beispiellose Härte in der dänischen Flüchtlingspolitik
Dänemark, wo der Geflüchtete zunächst Asyl erhalten hatte, zeichnet sich in der Flüchtlingspolitik seit Jahren durch eine beispiellose Härte aus: Die Regierung verfolgt das erklärte Ziel, die Anzahl der Asylanträge "auf null" zu reduzieren. Noch dazu ließ das Königreich zuletzt systematisch den Schutzstatus von Syrern widerrufen und versucht, die Menschen zu einer sogenannten freiwilligen Ausreise in das Bürgerkriegsland zu zwingen. Wer nicht "freiwillig" ausreist, kann auf unbefristete Dauer in gefängnisartigen Lagern einquartiert werden, solange eine Abschiebung nicht möglich ist. Auch der aus Büchenbeuren abgeholte syrische Kurde, der nach Kirchenangaben zuvor jahrelang unauffällig in Dänemark gelebt, gearbeitet und Steuern gezahlt hatte, stand urplötzlich vor dem Nichts.
Weil immer mehr verzweifelte Asylbewerber um Aufnahme ins Kirchenasyl bitten, müsse mittlerweile vielen Hilfesuchenden abgesagt werden, berichtet Superintendent Risch: "Wir prüfen sehr streng." Im Fall des kurdischen Kriegsdienstverweigerers habe der Kirchenkreis, der zur Evangelischen Kirche im Rheinland gehört, sich aufgrund der außergewöhnlichen Umstände für eine Aufnahme entschlossen. Durch das Kirchenasyl sollte Zeit gewonnen werden, die Situation des Mannes nochmals durch die deutschen Behörden prüfen zu lassen.
Im aktuellen Fall wirft die Kreisverwaltung ihrerseits dem Kirchenkreis vor, sich nicht an die Regeln gehalten zu haben. "Der Betroffene war vollziehbar ausreisepflichtig und ist dessen Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, so dass diese zwangsweise durchgesetzt werden musste", heißt es in Neuwied. Zum Ablauf der Räumung will sich der Kreis auf Nachfrage nicht äußern.
In Rheinland-Pfalz, wo sich die Landesregierung öffentlich weiter zu einer "humanitär ausgerichteten Flüchtlingspolitik" bekennt, gab es in den vergangenen Jahren wiederholt Polizeieinsätze gegen Kirchenasyle, vereinzelt strebten Kommunalbehörden sogar eine Strafverfolgung von Pfarrerinnen und Pfarrern an. In jüngster Zeit konnten die meisten Fälle einvernehmlich geregelt werden.
Das Mainzer Integrationsministerium räumt auf Nachfrage ein, vorab über das Vorgehen des Kreises informiert worden zu sein: "Nachdem die zuständige Ausländerbehörde bereits einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss für das von der Kirche genutzte Wohnhaus erlangt hatte, bestand hier kein Anlass mehr, das gerichtlich bereits als rechtmäßig erkannte Vorgehen der Behörde fachaufsichtlich anders zu bewerten."
Wie Okka Senst vom Unterstützerkreis des Syrers aus Büchenbeuren berichtet, kam der Mann nach der aus Behördensicht erfolgreichen "Rücküberstellung" in Dänemark vor Gericht. Weil er das Ausreiselager unerlaubt verlassen habe, sei er zu zehn Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft habe mittlerweile Revision gegen das Urteil eingelegt, weil es zu milde sei.