Die deutsch-österreichische Fernsehfilmfreundschaft ist ein munter sprudelnder Quell, der gerade dem ZDF immer wieder sehenswerte Krimis beschert). Bei der ARD ist der MDR für die Zusammenarbeit mit dem ORF zuständig; hier hat die Kooperation allerdings in erster Linie zu Komödien geführt. Das gilt auch für diesen Film mit dem etwas einfallslosen Titel "Familie mit Hindernissen" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2017). Sophia Krapoth (Buch) und Oliver Schmitz (Regie) erzählen die Geschichte zweier Patchwork-Familien, die gemeinsam die Konfirmation der 14jährigen Tochter Saskia (Emilie Neumeister) feiern wollen. Schon die Vorbereitungen des Festes sind nicht ganz einfach.
Der Tag selbst läuft dann derart aus dem Ruder, dass sich Saskias völlig überforderte Mutter Katrin (Nicolette Krebitz), dem Nervenzusammenbruch nahe, an den einzigen Ort zurücksehnt, an dem sie in den letzten 48 Stunden etwas Ruhe gefunden hat: eine Gefängniszelle. Im Grunde wäre die unterhaltsame Komödie auf dem Freitagstermin im "Ersten" besser aufgehoben gewesen; für einen Mittwochsfilm sind weder die Handlung noch ihre Umsetzung anspruchsvoll genug. Überflüssig ist zudem, dass Krebitz die Ereignisse ständig in Richtung Kamera kommentieren muss; eine Maßnahme, die weder witzig noch dramaturgisch notwendig ist.
Dass Saskia ihre Mutter irgendwann fragt, mit wem sie da eigentlich die ganze Zeit rede, ist immerhin ein sympathisch selbstironischer Einfall. Davon abgesehen ist es weder Buch noch Regie gelungen, die vielen Vorfälle als Handlungsfluss zu erzählen, weshalb der Film recht episodisch wirkt.
Dass "Familie mit Hindernissen" trotzdem sehenswert ist, liegt zum einen am Einfallsreichtum des Drehbuchs, das seine Hauptfigur wie in einem Abenteuerfilm mit immer wieder neuen Herausforderungen konfrontiert, zum zweiten an den ausnahmslos guten Darstellern und zum dritten an der Relevanz des Themas. Sophia Krapoths Komödien (zuletzt unter anderem "die Hochzeit meiner Eltern" mit Senta Berger und Günther Maria Halmer oder "Pilgerfahrt nach Padua") haben oft genug einen ernsten Hintergrund und würden auch als Dramen funktionieren.
Das ist hier nicht anders: Gerade die Kinder leiden unter den neuen familiären Konstellationen, und die Eltern machen auch keinen rundum glücklichen Eindruck. Krapoth hat ein treffendes Bild dafür gefunden, was die Auflösung der ersten und die Neugründung einer zweiten Familie gerade mit den Jugendlichen anrichtet: Der ohnehin ständig bekiffte 16jährige Yannick (Oskar Bökelmann), der Sohn von Katrins neuem Lebensgefährten Philipp (Hary Prinz), veranstaltet unter Saskias Puppen und Plüschtieren ein Massaker, das er als künstlerische Installation versteht und in Anlehnung an Stephen King "Friedhof der Kuscheltiere" nennt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Gleichfalls nicht gut drauf ist Saskias Vater: Frank (Juergen Maurer) hat Katrin wegen der deutlich jüngeren Julia (Lisa Bitter) verlassen, kriegt demnächst ein viertes Kind und erinnert sich angesichts von Julias Zickigkeit und seiner eigenen pränatalen Depression sehnsuchtsvoll an die schönen Zeiten mit Katrin; die wiederum stellt verbittert fest, dass sie mit Philipp die gleichen Diskussionen führt wie einst mit Frank. Komplettiert wird das Gefühls-Chaos durch die Großeltern: Franks Mutter Diana (Daniela Ziegler) ist eine furchtbare Giftspritze, Katrins Mutter Renate (Marie Gruber) verkümmert an der Seite eines dominanten Mannes (Peter Prager), der sich derart prächtig mit Diana amüsiert, dass Renate ihren Kummer in Alkohol ertränkt. Zu allem Überfluss taucht auch noch Philipps Ex-Frau (Franziska Weisz) auf: Katrin und sie haben sich zufällig in einer Bar kennengelernt, sich gegenseitig ihr Herz ausgeschüttet und verblüfft festgestellt, dass sie über denselben Kerl reden.
Die schönsten Episoden gehören jedoch einem Mann, der zwar gar nicht eingeladen ist, aber trotzdem beim Fest aufkreuzt: Matthias Brenner spielt einen Polizisten, der Katrin nach durchzechter Nacht und viel zu wenig Schlaf eigentlich aus dem Verkehr hätte ziehen müssen, aber angesichts ihrer Schwiegermutter Gnade walten ergehen lässt. Weil Katrin noch diverse weitere Verstöße gegen Recht und Ordnung unterlaufen, werden die Folgen immer ungemütlicher. Deshalb beginnt die Geschichte auch mit Katrins Gefängnisaufenthalt und reicht einen großen Teil der Handlung als Rückblende nach; ein dramaturgisches Erzählmuster, das mittlerweile recht abgenutzt ist. Aber die Dialoge machen nicht zuletzt dank des reichlich vorhandenen Sarkasmus großen Spaß, und die flotte Musik (Maurus Ronner, Biber Gullatz und Andreas Schäfer) verleiht dem Film von Anfang an eine heitere Gelassenheit.