Überraschende Bären und politische Positionen

Emblem der Berlinale am Berlinale Palast am Potsdamer Platz in Berlin
epd-bild/Hans Scherhaufer
Emblem der Berlinale am Berlinale Palast am Potsdamer Platz in Berlin.
Berlinale endet
Überraschende Bären und politische Positionen
Die letzte Berlinale mit Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian bot ein breites Spektrum. Zudem war sie politisch, mit Themen von AfD bis Gaza-Krieg. Als Bester Film wurde zum zweiten Mal in Folge ein dokumentarisches Format ausgezeichnet.

Mit einem Publikumstag sind am Sonntag die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin zu Ende gegangen. Viel wurde vor und während der Berlinale über Politik geredet. Die Ein- und anschließende Ausladung von AfD-Mitgliedern sowie die folgenden Statements gegen Rechtsextremismus standen bei der Eröffnungsfeier im Fokus. Bei der Abschlussgala am Samstag blickten die scheidenden Berlinale-Leiter Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek zurück auf eine von Krisen und Konflikten geprägte fünfjährige Amtszeit und erinnerten unter anderem an den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der sich am Tag der Preisverleihung zum zweiten Mal jährte.

Am Samstag wurden zahlreiche Preise vergeben, darunter die begehrten Berlinale-Hauptpreise, der Goldene und die Silbernen Bären. Ein besonderer Fokus fiel beim Festival in Berlin auch auf den Krieg im Nahen Osten. Der Dokumentarfilm "No Other Land", der sich mit den seit Jahren andauernden Konflikten beschäftigt, wurde mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Wie auch einige andere Preisträger nutzten die Filmemacher ihre Dankesrede, um sich für einen Stopp der Kämpfe auszusprechen.

Zum politischen Fokus der Berlinale passt auch der Gewinner des Goldenen Bären: "Dahomey", nach Nicolas Philiberts "Sur l'Adamant" im letzten Jahr zum zweiten Mal in Folge ein Film mit dokumentarischen Formen. Mati Diop, Französin mit senegalesischen Wurzeln, thematisiert in ihrem Film die Rückführung geraubter Kunstschätze des einstigen Königreichs Dahomey von Paris ins heutige Benin und beschäftigt sich mit der Bedeutung, die diese Schätze für die afrikanische Kultur haben. Bei ihrer Dankesrede betonte Diop, dass solche Rückgaben Gerechtigkeit bedeuteten, und rief dazu auf, die afrikanische Kultur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Hatte man "Dahomey" zumindest noch Außenseiterchancen zugerechnet, waren die weiteren Bären-Gewinner eher Überraschungen. Im Fall des Großen Preises der Jury für die skurrile Komödie "A Traveler's Needs" mit Isabelle Huppert äußerte selbst Regisseur Hong Sang-soo Erstaunen: Er nahm den Preis mit den Worten in Empfang, dass er nicht wisse, was die Jury in seinem Film gesehen habe, er sei aber gespannt, es zu erfahren. Was die Jury in Bruno Dumonts Science-Fience-Klamauk "L' Empire", der mit dem Silbernen Bären der Jury ausgezeichnet wurde, gesehen hat, dürfte wohl auch einige interessieren. Unter Kritikern jedenfalls war der Film eher verhalten aufgenommen worden.

Silberner Bär für deutschen Drehbuchautor

Verdient, aber ebenfalls eine Überraschung war die Vergabe der Auszeichnung für den besten Hauptdarsteller an Sebastian Stan, der in "A Different Man" einen Mann mit Gesichtsdeformation spielt, der nach einer Operation auf einmal attraktiv und erfolgreich ist. Als Favoriten für die Auszeichnung hatten auch die deutschen Schauspielerinnen Corinna Harfouch in "Sterben" von Matthias Glasner und Liv Lisa Fries in Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde" gegolten. Vor allem Fries brilliert in ihrer Rolle als Hilde Coppi, die während des Nationalsozialismus in der Widerstandsgruppe der "Roten Kapelle" aktiv war und im Gefängnis ihren Sohn zur Welt brachte.

Den beiden deutschen Beiträgen wurden sogar Chancen auf einen Goldenen Bären zugerechnet. Am Ende blieb es bei der Auszeichnung an Matthias Glasner für das Drehbuch zu "Sterben". Überraschend ging der bei Kritik und Publikum beliebte iranische Film "My Favourite Cake" leer aus, der auf liebevolle Weise von einer älteren Witwe erzählt, die sich selbstbewusst gegen ihre Einsamkeit stemmt.

Vielfalt von Herkunftsländern

Insgesamt bot der Wettbewerb der Berlinale mit 20 Filmen in diesem Jahr eine große Vielfalt, die ganz besonderen Höhepunkte aber blieben aus. Hervorzuheben sind vor allem die unterschiedlichen Herkunftsländer, die damit einen breiten Blick auf die Filmwelt zeigten. Unterstrichen wurde dies mit dem Silbernen Bären für die beste Regie an den noch unbekannten dominikanischen Regisseur Nelson Carlo de los Santos Arias, der in seinem experimentell angelegten Dokudrama "Pepe" auf philosophische Weise vom gleichnamigen Nilpferd erzählt, das aus dem Zoo des Drogenbarons Pablo Escobar in Kolumbien ausbrach. 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sprach von einer Berlinale, die "die ganze Vielfalt an Geschichten und Perspektiven der Welt nach Berlin gebracht" habe. Sie dankte ausdrücklich dem scheidenden Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. 

 

Außer den Hauptpreisen wurden viele weitere Ehrungen vergeben. Den mit 5.000 Euro dotierten Amnesty-Filmpreis erhielt der jordanische Film "The Strangers' Case". Er schildert die Odyssee einer Flucht aus Syrien. Den mit 5.000 Euro dotierten Friedensfilmpreis von Heinrich-Böll-Stiftung und Weltfriedensdienst e.V. erhielt der Dokumentarfilm "Favoriten" der Österreicherin Ruth Beckermann. Die Ökumenische Jury ehrte die Filme "My Favourite Cake" (Iran/Internationaler Wettbewerb), "Sex" (Norwegen/Panorama) und "Maria's Silence" (Lettland/Litauen 2024/Forum).

Bereits am Dienstag war der US-amerikanische Regisseur und Produzent Martin Scorsese für sein Lebenswerk mit dem Goldenen Ehrenbären geehrt worden. Im April übernimmt die US-Amerikanerin Tricia Tuttle die Festivalleitung.