TV-Tipp: "Steirerkreuz"

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7. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Steirerkreuz"
Mächtig ragt das riesige Holzkreuz über dem Dorf in die Luft. Die einen mögen es als Trost empfinden, die anderen als Bedrohung, aber eins steht außer Frage: Es symbolisiert weithin sichtbar den Einfluss der Sägewerkdynastie Fürst, deren Patriarchin in sinniger Doppeldeutigkeit ehrfurchtsvoll "die Fürstin" genannt wird. "Steirerkreuz" heißt treffenderweise nach "Steirerblut" (2014) und "Steirerkind" (2018) die dritte Adaption eines Romans von Claudia Rossbacher aus der ORF-Reihe "Landkrimi".

Die anderen Filme der Reihe laufen im ZDF, aber bei den Krimis aus der Steiermark hat sich die ARD-Tochter Degeto frühzeitig die Koproduktionsrechte gesichert, was sich auch in der Besetzung zeigt: Anders als in den reinen ORF-Produktionen wirken in den Steirer-Geschichten mit Hary Prinz und Miriam Stein als Ermittlerduo Bergmann und Mohr vom Grazer LKA (der Film ist eine Wiederholung aus dem Jahr 2019) gern auch bekannte deutsche Schauspieler mit; die mit jeder Pore alten Geldadel verströmende "Fürstin" ist eine Paraderolle für Gisela Schneeberger. 

Die Geschichte ist ohnehin ein als Krimi verpacktes Drama, selbst wenn die Handlung mit einer Leiche beginnt: Walter, der Sohn der Fürstin, wird mit seiner Krawatte erdrosselt im eigenen Bett gefunden. Seine letzte Spur führt ins örtliche Bordell, das "Paradies". Was er dort getrieben hat, ist ein Rätsel, denn der Mann war schwul, weshalb Krimispezialisten bereits bei der ersten Stippvisite des Films im "Paradies" eins und eins zusammenzählen werden.

 

Der Täter, den das Drehbuch von Wolfgang und Maria Murnberger anbietet, wirkt ohnehin viel zu schuldig: Vor vielen Jahren musste der frühere Sägewerksleiter Schindler (Julian Weigend) ins Gefängnis, weil er angeblich Walters Schwägerin Magdalena (Anna Rot) vergewaltigt hat. Ausschlaggebend für die Verurteilung war die Aussage von Walter, dem Schindler, der bis heute seine Unschuld beteuert, damals Rache geschworen hat. Selbstredend ist die Familie nun überzeugt, dass der Mann seine Drohung umgesetzt hat, was sie ihn später bitter büßen lässt. Heimliche Hauptfigur der Geschichte ist jedoch die von Jana McKinnon sehr eindringlich verkörperte Tochter Magdalenas. Die Fürstin will sie zu ihrer Nachfolgerin aufbauen, aber Anna ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt: Die junge Frau ist in dem Glauben aufgewachsen, das Ergebnis einer Vergewaltigung zu sein.

Wolfgang Murnberger, der bislang alle Steirer-Krimis inszeniert hat (mittlerweile sind es zwölf), ist einer der renommiertesten österreichischen Regisseure und genießt dank seiner vielen in Zusammenarbeit mit dem Autor Uli Brée entstandenen Komödien ("Die Spätzünder") auch hierzulande einen hervorragenden Ruf. "Steirerkreuz" – bei dem titelgebenden Monument handelt es sich um das Pilgerkreuz am Vetscher Ölberg – lebt neben der Atmosphäre nicht zuletzt von den Darstellern und ihren Dialogen, die für viele heitere Momente sorgen, weil es einige reizvolle Konstellationen gibt. Die Geschichte wirkt ohnehin, als sei das Drehbuch unter dem Eindruck der Gesellschaftsdebatte "#MeToo" entstanden (der Roman ist bereits 2014 erschienen), zumal es immer wieder um Grenzen zwischen Männern und Frauen geht. Das gilt natürlich vor allem für den Vorfall zwischen Veit Schindler und Magdalena Fürst, für den Murnberger zwei unterschiedlichen Rückblendenvarianten anbietet. Zwischendurch findet der Film immer wieder Zeit für Geplänkel: Chefinspektor Bergmann (Prinz) baggert mit großer Hartnäckigkeit seine Kriminaltechnikerin (Eva Herzig) an. Sie spielt das Spiel jedoch mit, weshalb die sexuelle Belästigung wie ein Balzritual wirkt, was wiederum "#MeToo"-Verfechterinnen womöglich als Verharmlosung verunglimpfen werden. 

Gemessen an Murnbergers Ruf ist die Inszenierung allerdings vergleichsweise überraschungsarm. Hin und wieder gibt es mal eine verblüffende Perspektive, wenn die Kamera das Ermittlerduo beispielsweise aus der Sicht der Leiche zeigt, aber die größte Freude hatte Murnberger offenkundig bei der Entwicklung der Figuren. Besonderen Spaß macht der von Mohr respektlos "Puff-Sheriff" genannte Ortspolizist Ferdinand "Ferdl" Franz (Holger Schober), der in der Tat eine innige Beziehung zu einer Dame aus dem "Paradies" pflegt und für viel Lokalkolorit sorgt. Gegenentwurf ist Magdalena, die in einem Radiosender über Buße predigt und sich mit einem Dornenband am Oberschenkel kasteit. Dass Murnberger an den komödiantischen Momenten dennoch womöglich mehr Spaß hatte, deutet auch die Musik (Roman Kariolou) an, die immer wieder ironische Kontrapunkte setzt und selbst einer Verfolgungsjagd durch den Wald die Spannung nimmt.