TV-Tipp: "Theresa Wolff: Dreck"

Fernseher vor orangener Wand.
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3. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Theresa Wolff: Dreck"
Im dritten gemeinsamen "Theresa Wolff"-Drehbuch gehen die Autoren Carl-Christian Demke und Hansjörg Thurn auf die Schwächen im menschlichen Miteinander der Hauptfigur Theresa Wolff ein.

"Ehrgeizig, verkopft, perfektionistisch, besserwisserisch, altklug": Ausnahmsweise sind Fremd- und Selbstwahrnehmung identisch, wie Theresa Wolff nach kurzer Überlegung einräumen muss, als sie ihr Profil in einem Dating-Portal erstellt. Mit dieser kurzen Szene ist die Hauptfigur ideal eingeführt, aber die Fans der ZDF-Krimireihe wissen natürlich längst, dass die Jenaer Rechtsmedizinerin gewisse Schwächen im menschlichen Miteinander hat; viel lieber führt sie einseitige Gespräche mit den Toten.

Deshalb will sie mit Hilfe des Internets unkomplizierte Begegnungen arrangieren, um Nähe zu üben, denn das fällt ihr bei lebenden Menschen schwer; diesen Zusatz löscht sie dann allerdings lieber wieder. Nina Gummich verkörpert diese Rolle, als sei sie für sie geschrieben worden: mit scheinbar wenig Spiel, aber viel Ausstrahlung. Erst in der letzten Szene stiehlt sich der Anflug eines Lächelns in Theresas Gesicht, als Hauptkommissar Lewandowski ihr attestiert, mit den Lebenden käme sie mittlerweile auch ganz gut klar. Der kantige Aurel Manthei hat sich längst als ausgezeichnetes Pendant zu seiner ungleich bekannteren Kollegen erwiesen.

Anders als bei einigen anderen Krimireihen sind Wohl und Wehe der Filme aus Jena zum Glück nicht allein auf die Hauptfigur angewiesen. "Dreck" ist das dritte gemeinsame "Theresa Wolff"-Drehbuch von Carl-Christian Demke und Hansjörg Thurn, der auch diesmal wieder Regie geführt hat. Neben Gummich und Manthei ist diesmal die Kamera der Star: Die Bildgestaltung (Uwe Schäfer) ist exzellent. Schon die erste Szene ist ungewöhnlich, als eine Kamerafahrt knapp über dem Boden an einer zuckenden Hand endet; das letzte Lebenszeichen eines Mannes, der lebendig begraben worden ist. Seine Identität ist rasch rausgefunden: Ulrich Rochow, genannt Alpha, war ein Zuhälter, der seinen Sexarbeiterinnen die große Liebe vorgegaukelt hat, aber ungewöhnlich brutal reagieren konnte, wenn sie aus der Reihe tanzten; eine Prostituierte präsentiert Lewandowski den Abdruck eines Bügeleisens auf ihrer Brust. 

Die Ermittlungen führen mehr oder weniger geradewegs zur Bulgarin Boriana Maydell (Natalia Rudziewicz), eine offenbar wesentlich seriösere Konkurrentin Alphas, die es anscheinend wirklich gut mit ihren Mitarbeiterinnen meint. Allerdings beschäftigt sie auch zwei vierschrötige Gestalten, denen alle möglichen Schandtaten zuzutrauen sind. Und dann mischt noch ein aalglatter Event-Manager (Bert Tischendorf) mit, der Messen für Brautmoden veranstaltet. Im Anschluss an den offiziellen Teil haben die männlichen Gäste Gelegenheit, die Models näher kennenzulernen. Für die Organisation dieser "Bonus-Events" war Alpha zuständig. Sie fanden just dort statt, wo er zur vorletzten Ruhe gebettet worden ist: am Fuß der Jenaer Teufelslöcher, die so heißen, weil man dem Teufel hier angeblich ganz nahe ist. Mit der Ermordung des Mannes, versichert der Unternehmer, habe er jedoch nichts zu tun: "Mord schadet dem Geschäft."

Auch wenn der versierte Teil des Krimipublikums spätestens nach zwei Dritteln ahnt, wer den Zuhälter auf dem Gewissen hat: Dem Vergnügen tut das keinen Abbruch. "Dreck" wäre dank Gummich selbst dann noch sehenswert, wenn die gleichfalls ausgezeichnete Musik (Johannes Kobilke) die Spannung nicht immer wieder in die Höhe treiben würde. Sehr sympathisch ist auch die Idee, dass sich die Rechtsmedizinerin mit einem Klebezettel auf dem Handgelenk daran erinnert, an ihrer sozialen Kompetenz zu arbeiten ("auf Gespräch einlassen"), selbst wenn das abgesehen vom Austausch mit Lewandowski eher frustrierend ist: "Der einzige, der die Wahrheit sagt, ist der Tote", stellt sie gegen Ende grimmig fest. 

Mit Hilfe eines ethisch allerdings recht fragwürdigen Experiments, das der neue Praktikant Jost (Anton Giuseppe Arnold) zur Empörung des Kollegen Zeidler (Peter Schneider) an echten Leichen durchgeführt hat, lassen sich immerhin die Umstände von Alphas Tod exakt rekonstruieren; das wiederum führt zu einer überraschenden Erkenntnis, die den Fall in ganz neuem Licht erscheinen lässt. Die rechtsmedizinischen Details sind ohnehin faszinierend, allerdings zuweilen auch ziemlich unappetitlich, erst recht, als Theresas Untersuchungen zur Exhumierung einer kürzlich angeblich bei einem Unfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommenen Mitarbeiterin Alphas führen. Zum Ausgleich sorgen die Geplänkel mit dem Kommissar immer wieder für heitere Momente, zumal der auch nicht gerade offene Lewandowski diesmal einen tiefen Blick in seinen Seelenleben gewährt.