TV-Tipp: "Testo"

Fernseher vor orangener Wand.
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2. Februar, ARD, 22.20 Uhr
TV-Tipp: "Testo"
Der Titel darf durchaus als Warnung verstanden werden: "Testo" ist bis zum Bersten mit Testosteron aufgepumpt. Die Handlung wirkt, als hätte der frühe Quentin Tarantino eine für die damalige Zeit rasant geschnittene Serie für den damals noch gar nicht existierenden Streamingdienst Netflix inszeniert.

In seinem Erstlingswerk "Reservoir Dogs – Wilde Hunde" (1992) bringen sich die Mitglieder einer Bande nach einem misslungen Raubzug gegenseitig um. Die Handlung von Kida Khodr Ramadans Serie "Testo" – er hatte die Idee, war maßgeblich am Drehbuch beteiligt und hat gemeinsam mit Olivia Retzer Regie geführt – erinnert aber eher an "Hundstage" (1975). In dem Al-Pacino-Klassiker von Sidney Lumet läuft ein Banküberfall komplett aus dem Ruder; das ist in "Testo" nicht anders. 

Dabei war der Plan ganz einfach: Keko (Ramadan), Devise: "Lieber tot als Knast", will während eines Freigangs gemeinsam mit vier Freunden aus Kindheitstagen eine Bank ausrauben. Rein, raus, ruckzuck: Nach wenigen Minuten wären sie wieder draußen und hätten ausgesorgt; aber dann entdeckt Pepsi (Stipe Erceg) die Schließfächer. Während er ein Fach nach dem anderen öffnet, alarmiert eine Angestellte die Polizei, das Gebäude ist im Nu umstellt, und nun beginnt die für alle Beteiligten drinnen wie draußen zermürbende Zeit des Wartens.

Roland Suso Richter hat aus einem derartigen Stoff vor gut zehn Jahren nach einem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt den Hochspannungs-Thriller "Ein todsicherer Plan" (2014) gemacht, aber dieses Niveau erreicht "Testo" nicht, selbst wenn die dramaturgische Konstruktion sehr interessant ist. Die sieben Folgen à fünfzehn bis zwanzig Minuten sind größtenteils episodisch konzipiert: mit einer Einführung, einer Wendung in der Mitte und einem kleinen Knüller zum Schluss. Die Serie ist in der Tat rasant, hat aber ein entscheidendes Manko: Werden typische Antagonisten zu zentralen Figuren, brauchen sie innere Konflikte, so wie Sonny Wortzig aus "Hundstage"; sonst bleiben sie eindimensional. Dieser Tiefgang fehlt "Testo", weil die Figuren konsequent den Etiketten entsprechen, die ihnen bei der Vorstellung zu Beginn verpasst werden.

Barro zum Beispiel, gespielt von Veysel Gelin, der ebenso wie der Rapper-Kollege Mortel Jovete (als fünfter im Bunde) einige Songs beigesteuert hat, gilt als "unberechenbarer Pitbull", und so verhält er sich auch. Die Gangster wirken ohnehin, als würden sie jeden Tag zum Frühstück "Scarface" (1983, ebenfalls mit Pacino) anschauen; es wird generell viel gebrüllt, geschrien und gekreischt. Stulle (Frederick Lau) gilt als "bipolar"; auch er rastet regelmäßig aus. Auf der Straße streiten sich derweil eine Streifenpolizistin (Nicolette Krebitz) und ein von Keko ausdrücklich als Verhandlungspartner angeforderter Kollege (Roland Zehrfeld) um die Einsatzleitung. In einer etwas skurrilen Rolle spielt außerdem Katharina Thalbach als Polizeipräsidentin mit.

Wie in "Reservoir Dogs" gibt es einen Toten, der nur scheinbar tot ist, wie dort entpuppt sich ein Krimineller als Polizeispitzel, zwischendurch gerät immer wieder mal eine der Geiseln in Panik. Am Ende verlassen alle Überlebenden dank einer cleveren Idee Kekos unerkannt die Bank, aber es folgen noch zwei Epiloge. Der erste wirkt wie eine Hommage an "Zwei Banditen" mit Paul Newman und Robert Redford (besser bekannt als "Butch Cassidy and the Sundance Kid", 1969), der zweite ist eher überflüssig und ziemlich grotesk. Auf den hätte Ramadan gern verzichtet, aber Koregisseurin Retzer hat sich durchgesetzt. Die beiden haben sich beim Schnitt zu "Asbest" (2023) kennengelernt. Ramadans Serie über einen talentierten Kicker, der im Gefängnis landet, war mit über neun Millionen Abrufen ein Überraschungserfolg in der ARD-Mediathek; kein Wunder, dass man ihm bei der Gestaltung von "Testo" freie Hand gelassen hat. Die Gestaltung der chronologisch und trotz einer Länge von rund 110 Minuten in nur 14 Tagen gedrehten Serie ist für öffentlich-rechtliche Verhältnisse tatsächlich ungewöhnlich.

Die zusätzlich durch die sehr präsente Thriller-Musik (Clemens Bacher) angetriebene Kameraführung (Armin Franzen) ist sehr dynamisch, "Testo" wirkt nie wie ein Kammerspiel, obwohl sich die meisten Szenen in der Bankfiliale abspielen. Für Abwechslung sorgt neben vielen Perspektivwechseln auch ein ständiger Wechsel der optischen Anmutung, weil Ramadan und Retzer neben den Bildern der Führungskamera immer wieder auch Aufnahmen wie aus einer Überwachungskamera sowie auf einer dritten Ebene überbelichtet wirkende grobkörnige Bilder einstreuen. Das "Erste" zeigt alle Folgen am Stück, die Serie steht in der ARD-Mediathek.