Filmkritik der Woche: "Die Vermessung der Welt"

Foto: epd-bild/Warner Bros.
Filmkritik der Woche: "Die Vermessung der Welt"
Ein historischer Bilderbogen: Der Regisseur Detlev Buck hat mit einem großartig aufgelegten Florian David Fitz als Mathematiker Gauß den Bestsellerroman "Die Vermessung der Welt" verfilmt - in 3 D.
24.10.2012
epd
Rudolf Worschech

Auf kaum eine andere Literaturverfilmung - den "Wolkenatlas" mal ausgenommen - dürfte das Publikum in diesem Jahr so gewartet haben wie auf die "Die Vermessung der Welt". 1,4 Millionen Exemplare des Romans wurden bisher verkauft, Autor Daniel Kehlmann hat es sogar zur Schulbuchlektüre geschafft. Jetzt kommt die Doppelbiografie zweier Genies, verfilmt von Detlev Buck, in die Kinos.

Es geht um die Lebensgeschichten zweier Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Carl Friedrich Gauß entwickelt sich zu einem frühgenialen Mathematiker. Alexander von Humboldt, Sproß einer wohlhabenden Familie mit guten Beziehungen zum preußischen Königshaus, floh früh schon vor der Enge seiner Familie in die Naturwissenschaft, der er auch mit so manchem Selbstversuch nachging. Beide waren Staatsbedienstete, Gauß sogar sein Leben lang. Und beide haben die Welt vermessen, Humboldt in der Ferne, Gauß in seinem Brotberuf als Landvermesser.

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Zwei solche Leben über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren zu verfolgen, das muss in Episoden und Tableaus enden. Das war schon im Roman von Kehlmann so, der die zwei Biografien ja auch in "nur" 300 Seiten pressen musste. Kehlmann hat am Drehbuch mitgearbeitet, was Schriftsteller normalerweise nicht zu ihren Aufgaben zählen. Aber herausgekommen ist dann doch mehr Buck als Kehlmann.

Die "Vermessung der Welt" wirkt vom Witz her wie eine Rückkehr zu Bucks Anfangstagen - nur grobhumoriger. Understatement ist nicht die Sache dieses Filmes, sondern die, um es vorsichtig zu formulieren, Überspitzung. Und da vergaloppiert sich Buck gern, etwa in der Zeichnung des Herzogs von Braunschweig mit seinen schlechten Zähnen und seiner Familie, die von Kindern mit Down-Syndrom verkörpert werden. Witzig ist anderswo.

Der Fitzcarraldo der Wissenschaft

Großen Raum nimmt Humboldts amerikanische Reise (1799 - 1804) ein, die er zusammen mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland unternahm, Humboldt ist gewissermaßen der Fitzcarraldo der Wissenschaft. Wahrscheinlich wegen der Schauwerte dieser Expedition ist der Film in 3 D aufgenommen worden, einer der ersten deutschen Spielfilme überhaupt in dieser Technik, die hier nicht immer gut funktioniert, sich aber auch nicht aufdrängt. Der Schauspieler Albrecht Schuch als Humboldt stolziert immer ein bisschen zu exaltiert durch den Film und liefert sich Duelle mit seinem durchaus der Sinnlichkeit und weitgehend unbekleideten Indiofrauen zuneigenden Begleiter.

Im Zentrum des Films steht aber der Mathematiker Gauß. Nur selten greift Buck da in die Klamottenkiste  - etwa wenn Gauß in der Hochzeitsnacht noch schnell ein paar mathematische Formeln notiert. Und Gauß gehört auch der tragischste Moment des Films: Wenn er sein Hauptwerk "Disquisitiones Arithmeticae", das niemand versteht, dem greisen Kant in Königsberg vorstellen will - der ja wie er nicht gerne reist - und feststellen muss, dass der alte Philosoph dement ist und statt zu disputieren lieber seinen Bediensteten zum Einkaufen schickt. Florian David Fitz spielt Gauß eindringlich als großen Stauner, der sein Leben in kleinen Gassen und Hinterhöfen zubringen muss und doch im Kopf die Welt vermisst. 

Regie: Detlev Buck. Buch: Detlev Buck, Daniel Kehlmann. Mit: Albrecht Schuch, Florian David Fitz, Vicky Krieps, David Kross. Länge: 119 Min. FSK: ab 12.