Liebe, Leidenschaft und Eifersucht sind typische Ingredienzien für die Freitagsfilme der ARD; kein Wunder, dass die im leichten Fach ohnehin sehr erfahrene Autorin Brigitte Blobel diesen Ganghofer-Stoff relativ problemlos in die Gegenwart übertragen konnte. Andererseits ist es schon erstaunlich, wie gut die Handlung noch neunzig Jahre nach dem Tod des wohl bekanntesten deutschen Heimatschriftstellers in die heutige Zeit passt. Seine Romane bildeten gerade in den restaurativen Fünfzigern vielfach die Vorlage für erfolgreiche Heimatfilme, aber die Produktionen der ARD-Tochter Degeto wollen ja mittlerweile mehr sein als bloß Melodramen vor möglichst eindrucksvoller Naturkulisse.
Mauer des Schweigens
Tatsächlich sind die Unterschiede marginal, aber das genügt bereits. Hauptfigur Johanna (Mira Bartuschek) zum Beispiel ist selbstredend eine moderne Frau mit klaren Zielen und Prinzipien. Sie arbeitet in Wien für den österreichischen Tourismusverband und soll eine Marketingkampagne für die Steiermark entwerfen. Da sie die Berge nicht ausstehen kann, schanzt sie den Auftrag ihrer besten Freundin Marlies (Lilian Klebow) zu. Als ihr klar wird, dass Marlies im Haus des berühmten Bergsteigers Ferdinand Plocher (Xaver Hutter) wohnen darf, bereut Johanna ihre Absage, aber nun ist es zu spät. Kurz drauf erreicht sie die Nachricht von Marlies’ Tod: Die Freundin ist bei einem Bergunfall ums Leben gekommen, und selbstredend gibt sich Johanna die Schuld. Sie reist in die Steiermark, um den Leichnam nach Wien zu überführen, stolpert dort jedoch über allerlei Ungereimtheiten. Angeblich war die in den Bergen völlig unerfahrene Marlies am Tag ihres Absturzes allein unterwegs. Johanna beginnt, Nachforschungen anzustellen, und stößt auf eine Mauer des Schweigens. Mit Ausnahme der kleinen Veverl, dem Kind von Ferdinands grobkörnigen Bruder Jörg (Bernhard Schir), scheint sie jeder in dem Bergdorf anzulügen. Außerdem herrscht zwischen Jörg und Ferdinand eine tiefe Feindseligkeit.
Aus Sicht der Zielgruppe solcher Filme ist die Rollenverteilung klar: Die weibliche Hauptfigur muss zur Identifikation einladen, die männliche als Projektionsfläche für Sehnsüchte taugen. Mira Bartuschek spielt in "Nur der Berg kennt die Wahrheit" im Grunde die gleiche Rolle wie in der ARD-Vorabendserie "Fuchs und Gans": Eingefleischte Großstädterin setzt sich in der Provinz gegen feindselige Einheimische durch. Das macht die Schauspielerin auch hier gut und glaubwürdig; größeren Spielraum lässt ihre Rolle ohnehin nicht zu. Für Xaver Hutter gilt das nicht minder, aber weil den ebenso schmucken wie undurchschaubaren Ferdinand ein Geheimnis umgibt, ist seine Figur facettenreicher. Bei der ersten Begegnung in Wien erliegt Johanna seinem Charme, in der Heimat ist der Bergsteiger urwüchsiger und abweisend. Körperlich fühlt sie sich nach wie vor zu ihm hingezogen, aber zwischen ihnen steht der Verdacht, Ferdinand könne etwas mit dem Tod von Marlies zu tun haben.
Hartmut Griesmayr, dank Dutzender Folgen von "Der Alte" und vieler "Tatort"-Inszenierungen eher ein Krimi-Experte, der aber hin und wieder auch Ausflüge ins Melodram macht, verleiht der an sich überschaubaren Handlung die nötige innere Spannung. Die äußere hält sich allerdings in Grenzen, ein Krimi ist der Bergfilm nicht. Wichtiger war wohl auch, das prachtvolle Alpenpanorama zu würdigen, was Kameramann Rolf Greim auf angemessene Weise gelingt. Für ein bisschen Ganghofer-Flair schließlich sorgt das Veverl mit seinen Geschichten vom Edelweißkönig.