"Minimalismus ist der Gegenentwurf zum verbreiteten Konsumzwang. Minimalismus heißt, bewusster nach den eigenen Bedürfnissen zu fragen, bewusstere Entscheidungen zu treffen und eine bewusstere Beziehung zu Menschen und Dingen einzugehen", sagt die 45 Jahre alte Hannoveranerin.
Sie selbst sei 2019 voll in das Thema eingestiegen. "Erst habe ich all mein Hab und Gut in den Keller verbannt, um es stückweise zurück in meine leere Wohnung zu holen", erläutert sie. Am Ende kam sie auf rund 50 Dinge, die für ihr Leben unverzichtbar sind - neben alltäglich-praktischem wie Teller, Tasse, den nötigsten Klamotten und ihrem Notebook auch eine kleine Stoff-Fledermaus, die sie schon länger begleitet. "Wenn einzelne Dinge zwar keinen konkreten Nutzen, aber große emotionale Bedeutung haben, sind sie keinesfalls überflüssig", betont Mittag. Denn Minimalismus stelle immer auch die Frage: Was tut meiner Seele gut?
Auch im Großen und Ganzen kann Minimalismus etwas verändern, ist Mittag überzeugt. "Würde die Mehrheit der Menschen wirklich wertebasiert und bedürfnisorientiert leben, würde kein Müll mehr in die Ozeane gekippt und kein Kleidungsstück mehr produziert, das am Ende niemand trägt", sagt sie.
Inzwischen sei aus dem Trend eine regelrechte Bewegung vorwiegend jüngerer Menschen geworden, die ihren minimalistischen Lebensstil zwar unterschiedlich streng, aber stets auf der Suche nach mehr Nachhaltigkeit und Lebensglück lebten. "Die ersten Schritte auf diesem Weg sind nicht schwer", meint Mittag - und gibt dafür sechs Grundregeln an die Hand:
1. Konsum: Vor jeder Anschaffung sollten drei Fragen stehen: Brauche ich das wirklich? Gibt es das auch gebraucht? Und: Wen und was unterstütze ich mit meinem Kauf? Auch rät die Minimalistin dazu, zunächst eine Liste für die Kaufwünsche anzulegen. "Danach gehe ich nicht gleich ins Geschäft, sondern lasse den Wunsch ein wenig ruhen. Meist erlischt das Kaufinteresse dann."
2. Finanzen: "Wer mit wenig Geld auskommt, kann sein Leben freier gestalten." Sie empfiehlt ein klassisches Haushaltsbuch. Auch rät Mittag dazu, lieber mit Bargeld als elektronisch zu bezahlen: "Dann wird uns wirklich bewusst, wie viel Geld durch unsere Hände geht." Ihr Portemonnaie bestückt sie stets nur mit der Summe, die sie auszugeben gedenkt: "Das schützt vor Spontankäufen."
3. Aussortieren und Loswerden: Jasmin Mittag empfiehlt, beim Ausmisten mit Kleidung, Büchern und Tonträgern anzufangen. Jedes Stück wird begutachtet: "Bringt es mir Freude?" Wird die Frage verneint, kann das betreffende Stück aussortiert werden. Statt diese Dinge einfach nur wegzuschmeißen, rät Mittag dazu, Aussortiertes zu verschenken oder an Sozialkaufhäuser zu geben.
4. Garderobe auf Basics reduzieren: "Alle Klamotten, die ein Jahr lang nicht getragen worden sind, können weitergegeben werden, etwa bei einer privaten Kleidertauschparty." Zudem empfiehlt sie, sich bei der Garderobe auf wenige Farben zu beschränken: "Dann passt alles zu allem - und für Abwechslung und Farbakzente sorgen ein paar sorgsam gewählte Accessoires."
5. Digitale Achtsamkeit: "Besonders soziale Netzwerke und Messenger binden unsere Aufmerksamkeit - und halten uns oft von produktiveren, schöneren Erfahrungen ab", sagt Mittag. Sie rät dazu, Push-Nachrichten zu deaktivieren, bildschirmfreie Zeiten und Zonen etwa im Schlafzimmer einzurichten, Bildschirmzeiten mit speziellen Apps festzulegen. Die so eingesparte Zeit dürfe etwa bei einem Spaziergang, einem guten Gespräch oder dem Kochen eines leckeren Mahls genossen werden.
6. Ernährung: "Auch eine gesunde, ökologisch und ethisch saubere Ernährung gehört zum Minimalismus", erklärt die Minimalistin. Motto: regional und saisonal auf dem Wochenmarkt statt im Discounter einkaufen. "Mit einem mitgebrachten Einkaufsbeutel lassen sich dort auch gut Plastikverpackungen vermeiden."