Zwei Angeklagte fehlen beim Prozess

Angeklagter sitzt vermummt im Gerichtssaal
© Jan Woitas/dpa
Leere Plätze auf der Anklagebank: Zwei von sechs Angeklagten sitzen vor Prozessbeginn im Zusammenhang mit Ausschreitungen und rassistischen Angriffen im Spätsommer 2018 im Landgericht Chemnitz.
Ausschreitungen in Chemnitz
Zwei Angeklagte fehlen beim Prozess
Der 1. September 2018 endete in Chemnitz für elf Demonstranten der Bewegung "Herz statt Hetze" mit Gewalt. Sie wurden - mutmaßlich von Neonazis - beleidigt, geschlagen und getreten. Die juristische Aufarbeitung ließ lange auf sich warten.

Nach massiven Ausschreitungen von mutmaßlichen Neonazis im September 2018 hat am Montag am Landgericht Chemnitz nach fünf Jahren der Prozess gegen sechs Männer begonnen. Den Angeklagten im Alter zwischen 26 und 51 Jahren werden Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Sie sollen am 1. September 2018 Gegendemonstranten eines rechten Aufmarsches in Chemnitz angegriffen haben. Elf Menschen wurden dabei verletzt. (AZ: 4 KLs 373 Js 46/20)

Zwei der sechs Angeklagten waren vor Gericht nicht erschienen. Deshalb trennte die Kammer deren Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft ab. Laut dem Vorsitzenden Richter Jürgen Zöllner ist einer der beiden fehlenden Angeklagten, Steven F., seit Wochen flüchtig und "spurlos verschwunden". Er sei zur Festnahme ausgeschrieben. Der bundesweit bekannte Neonazi aus Dortmund hätte am 17. November 2023 eine Haft antreten müssen. Seitdem fahndet die Polizei nach dem rechten Szene-Blogger.

Angeklagter in geschlossener Abteilung

Im zweiten abgetrennten Fall handelt es sich um Pierre Stefan B., der sich laut Zöllner in psychiatrischer Behandlung befindet. Der Beschuldigte habe "eine schwere suizidale Krise", sagte der Richter nach einem Telefonat mit der behandelnden Ärztin. Die Behandlungsdauer sei völlig offen. B. befinde sich in einer geschlossenen Abteilung.

Die teilweise vorbestraften Beschuldigten kommen aus Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Laut Anklage haben sie Gegendemonstranten gejagt und gewalttätige Auseinandersetzungen provoziert. Mehrfach soll der Slogan "Adolf Hitler, unser Führer" skandiert worden sein.

Augenzeugen und Geschädigte berichteten damals von einer regelrechten "Neonazi-Hetzjagd" am Rande des sogenannten Trauermarsches von AfD, "Pegida" und den rechtsextremen "Freien Sachsen", der sich gegen die Asylpolitik der Bundesregierung richtete. Auch eine Reisegruppe aus Marburg, die sich an Protesten des Bündnisses "Herz statt Hetze" gegen den rechten Aufmarsch beteiligte, wurde mutmaßlich von Neonazis gewalttätig angegriffen. Vorausgegangen war wenige Tage zuvor ein tödlicher Messerangriff gegen einen Chemnitzer am Rande des Stadtfestes.

Zunächst wurde am Montag die Anklage verlesen. Danach zogen sich die Prozessbeteiligten zu einem Rechtsgespräch zurück. Nach Angaben des Vorsitzenden Richters hatten die Verteidiger vorgeschlagen, das Verfahren gegen ihre Mandanten einzustellen, weil die vier im Prozess verbliebenen Angeklagten nicht vorbestraft seien. Ohne umfassende Einlassung und Sachaufklärung durch die Angeklagten sei eine Einstellung aber nicht zu erwarten, sagte Zöllner.

Am Nachmittag wurde eine erste Zeugin gehört. Die Polizeikommissarin hatte Geschädigte vernommen und nach eigenen Angaben etwa zwei Jahre lang Ermittlungsdetails zusammengeführt. Bei den Krawallen selbst war sie nicht vor Ort.

Nach der tödlichen Messerattacke war 2019 ein Syrer wegen Totschlags verurteilt worden. Die Bewertung der damaligen massiven Proteste hatte nachträglich die Versetzung des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in den einstweiligen Ruhestand zur Folge. Der Prozess soll am Mittwoch in Chemnitz fortgesetzt werden.

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