Gerade beim "Tatort" aus Münster ist eine zweite Frage ohnehin entscheidender: Bereiten die Darbietungen das gewohnte Vergnügen? Das tun sie auch diesmal in der Tat, allerdings nicht mit der gleichen Intensität wie sonst. Sehenswert ist "Der Mann, der in den Dschungel fiel" dennoch schon allein wegen Detlev Buck in der Titelrolle.
Der vielfach ausgezeichnete Autor und Regisseur verkörpert als Schauspieler gern leicht skurrile Typen, die meist ein wenig aus der Spur geraten sind. Für Hotte Koslowski, einst Mitschüler von Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl), gilt das nicht minder. Hotte nennt sich jetzt Stan Gold und feiert in fortgeschrittenem Alter sein Debüt als Schriftsteller.
In seinem Erstlingswerk, das den gleichen Titel wie der Film trägt, erzählt er von seinen angeblich wahren Abenteuern in Paraguay, wo er nach einem Flugzeugabsturz 15 Jahre lang bei einem bis dahin unbekannten indigenen Stamm gelebt hat. Als Sohn der Stadt Münster wird ihm nun die Ehre zuteil, zum ersten Stadtschreiber gekürt zu werden. Den entsprechenden Preis hat kein geringerer als Professor Boerne (Jan Josef Liefers) gestiftet. Die Preisverleihung stößt jedoch nicht auf ungeteilte Freude, denn während der Feier schleicht eine düstere Kapuzengestalt durch die Szenerie. In der Folge kommt es zu gleich mehreren Mordanschlägen, denen Gold jeweils nur wie durch ein Wunder knapp entgeht.
Der "Tatort" aus Münster ist stets eine Gratwanderung zwischen Krimi und Comedy. In den besten Fällen ist die Balance ausgewogen; mitunter wirkten die Geschichten aber auch wie ein Vorwand für die verbalen Scharmützel zwischen dem Polizisten und dem Rechtsmediziner. Thorsten Wettcke hat für Prahl und Liefers zuletzt "Des Teufels langer Atem" (2022) geschrieben; der Film erfreute durch eine verzwickte Story, in der Thiel dringend mordverdächtig war. In seinem sechsten Drehbuch für das Duo hat der erfahrene und mehrfach ausgezeichnete Autor (International Emmy Award für "Das Wunder von Kärnten", 2011) einen guten Mittelweg gefunden: Es gibt witzige Momente, und auch der Handlungskern ist, wie sich alsbald erahnen lässt, eine Farce, doch die Begleitumstände sind durchaus tödlich.
Dass es sich bei diesem 44. "Tatort" aus Münster in Wirklichkeit um eine subtile Liebesgeschichte handelt, ist nur eine der vielen Überraschungen, die Wettcke zu bieten hat. Dazu zählt auch der Prolog: Der "Tatort" beginnt in der Regel mit einer Leiche, aber wie der Autor mit dieser Vorgabe spielt, ist ein echter Knüller. Die Erwartungen der vielen Boerne-Fans erfüllt das Drehbuch dagegen vor allem mit Hilfe einer Nebenebene: Hottes Agentin und Lebensgefährtin Sabina (Eva Verena Müller) entdeckt zufällig einige Notizen des Rechtsmediziners über seine größten Fälle und wittert umgehend das Potenzial nicht nur für einen Bestseller, sondern auch für eine TV-Reihe, Arbeitstitel: "Die scharfen Waffen des Verstandes". Dass Boerne in seinen Entwürfen der Star ist, versteht sich von selbst, aber den Kommissar zum begriffsstutzigen Sancho Pansa zu reduzieren, geht aus dessen Sicht selbstredend zu weit.
Es gibt noch eine weitere beiläufig einstreute Reminiszenz in eigener Sache: Der erste Anschlag auf den Bestsellerautor erinnert die Ermittler an die Ermordung von Schlagerstar Roman König ("Summ, Summ, Summ", 2013). Hier wie dort war Bienengift im Spiel, doch das mutmaßliche Tatwerkzeug ist diesmal noch im Besitz seines Stachels. Das ist jedoch bei Weitem nicht die einzige Ungereimtheit in den immer abenteuerlicheren Geschichten, die Hotte den beiden auftischt; einige dieser Szenen wirken im besten Sinne improvisiert. Regie führte Till Franzen, der mit "Lauchhammer – Tod in der Lausitz" (ARD, 2022) eine der besten Serien der letzten Jahre gedreht hat. Sein "Tatort"-Debüt erfreut nicht zuletzt durch eine ungewöhnliche Optik: Der Vorspann ist im Stil klassischer Edgar-Wallace-Filme gehalten, viele Szenen haben eine leicht ins Bräunliche tendierende Farbgebung, und die Rückblenden wirken wie Filmausschnitte aus den Siebzigern.