Wenn David M. Peter seinen Dienst versieht, trägt er entweder einen Talar oder Alltagskleidung. Der Talar kommt bei Gottesdiensten in der imposanten Stiftskirche St. Materniani und St. Nicolai zum Einsatz. Bei Veranstaltungen oder wenn sich Gruppen im Gemeindehaus treffen – David M. Peter ist Pfarrer der Kirchengemeinde Bücken – trägt er Alltagskleidung. Ab und zu muss der Pfarrer jedoch in seine lila Jacke schlüpfen. Sie weist ihn als Mitglied des Teams der Notfallseelsorge (NFS) aus, die die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Kirchenkreis Syke-Hoya. Wenn David M. Peter gerufen wird, leiden Menschen – nicht unbedingt körperlich, aber seelisch. Das passiert auch an Weihnachten. Aber längst nicht so häufig wie an anderen Tagen.
"An den Feiertagen selbst haben wir erstaunlich wenige Einsätze", fasst David M. Peter seine Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammen. Er ist zwar erst seit wenigen Monaten in Bücken. Doch auch in seiner vorherigen Gemeinde im Kirchenkreis Bremerhaven war der Pastor Mitglied der Psychosozialen Notfallseelsorge. Wenn ausgerechnet bei einer Familienfeier eine Hiobsbotschaft eintrifft, "wirkt die Betroffenheit doppelt so stark", sagt der Neu-Bücker.
Für ihn und die anderen Teammitglieder heißt es dann, die Betroffenen oder ihre Angehörigen intensiv zu betreuen. Wie das geht, lässt sich nicht pauschalisieren. "Es kommt auf das Setting an", sagt David M. Peter. Ob Weihnachten oder nicht, eines sei immer notwendig: die eigene Arbeit zu hinterfragen. Bei jedem Einsatz, bei jedem Szenario müsse man schauen: "Komme ich alleine klar oder brauche ich Hilfe?"
Gegebenenfalls, so erklärt er, müsse ein oder manchmal auch zwei weitere Teammitglieder angefordert werden – was an Weihnachten eine besondere Herausforderung darstelle. Der Grund: Alle Pfarrerinnen und Pfarrer haben einen vollen Terminkalender. Allein an Heiligabend stehen zwei bis drei Gottesdienste auf dem Programm, dazu kommen ein bis zwei an den beiden Weihnachtsfeiertagen. Ein eventueller Einsatz als Notfallseelsorger käme noch hinzu. Trotzdem, betont der Bücker: "Wir sind da, auch an den Feiertagen."
Grundsätzlich beginnt die Arbeit der Notfallseelsorge dort, wo in der akuten Notfallsituation die Arbeit des Rettungsdienstes endet. Dieser ist für die medizinische (Erst-)Versorgung zuständig, die Notfallseelsorger übernehmen die Betroffenen und stabilisieren sie seelisch. David M. Peter nennt das "im nicht-medizinischen Sinne". Schritt zwei für ihn und die anderen Teammitglieder beschreibt er so: "Wir müssen in irgendeiner Form das soziale Netz entwickeln". Heißt: Die Notfallseelsorger schauen zum Beispiel, ob es Nachbarn gibt, die sich kurzfristig um die Menschen kümmern können oder wie schnell gerade bei älteren Menschen die Kinder zu den Eltern kommen können.
Kleines Dorf, großer Zusammenhalt
Das soziale Netz zu spannen, sei auf dem Land oft einfacher als in der Stadt. Den Grund dafür sieht der Bücker Pfarrer darin, dass gerade in kleinen Dörfern der Zusammenhalt größer sei. Aber auch in Klein- und Mittelstädten wie Syke, Sulingen oder Nienburg sei das soziale Netz in Form von Kindern oder Nachbarn meist nicht vorhanden. Denn: Die meisten Menschen arbeiten heute tagsüber weiter entfernt von ihrem Wohnort als früher. "Es kommt auf die Tageszeit an", sagt David M. Peter.
Viele Einsätze der Notfallseelsorger finden außer Haus statt. Oft sind diese nach Unfällen gefordert, dann werden sie zumeist als Team gerufen, weil es an einer Unfallstelle mehrere Personen zu betreuen gilt. David M. Auf dem Land seien es vor allem "Einsätze, die schwer zu verdauen sind". Bis hin zur Traumatisierung. Oft sei die Grenze zwischen außer- und innerhäuslichen Einsätzen fließend. Etwa wenn es darum gehe, gemeinsam mit der Polizei eine Todesnachricht zu überbringen. "Das macht es besonders", erklärt der Pfarrer.
Die Arbeit des Bückers und seiner Kollegen unterscheidet nicht zwischen Feiertagen und Alltag: "Was wir als Notfallseelsorge mitbringen, ist die Kompetenz, Ohnmacht und Schmerz vor Ort auszuhalten." Doch so einfach ist das nicht, im Gegenteil: Vor der Arbeit in der psychosozialen Notfallseelsorge steht eine intensive Ausbildung – auch für Pfarrer und Seelsorger. Schließlich ist das Thema nicht Teil des Theologiestudiums. Ohnmacht als Notfallseelsorger auszuhalten, sei eine Kunst, weiß David M. Peter und wiederholt: "Ohnmacht auszuhalten gelingt mir, weil ich mich von dem Allmächtigen begleitet weiß", fügt der NFS an und wiederholt: "Es ist viel Reflexion über die Situation nötig: Was ist meine Aufgabe? Wie kann ich hier hilfreich sein? Bin ich noch erwünscht, oder möchte mein Gegenüber lieber alleine sein? Kann ich den Menschen guten Gewissens sich selbst überlassen?" Und er fügt hinzu: "Man ist in einer starken Beobachterrolle sich selbst und den Menschen gegenüber."