Neulich kam er nochmal zurück, der Kanzler in "sein" Museum. Nicht ohne Bedacht ehrte die Union Ende September Helmut Kohl im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums (DHM). Wenn es in der Hauptstadt etwas zu feiern gibt, dann gehört der heute überdachte, angenehm temperierte Innenhof mit seinen Barockfassaden zu den ersten Adressen.
Am Dienstag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dort die Festrede auf das 25-jährige Bestehen des Museums halten, das in dieser Zeit bis zu zwölf Millionen Menschen besucht haben. Kein anderes kulturelles Projekt ist bis heute so mit dem Namen ihres Vorgängers - und dem Kanzleramt - verbunden wie das DHM. Keines war in der Geschichte der Bundesrepublik so umstritten.
"Es gibt mehr als die Teilung und das Scheitern der Nation"
Als "Paukenschlag" bezeichnet Museumsdirektor Alexander Koch im Rückblick die Gründung des DHM. Am 28. Oktober 1987 unterzeichneten Kohl und der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (beide CDU) im Reichstagsgebäude feierlich die Urkunde. Im Kanzleramt gab es noch keinen Kulturstaatsminister, die Kulturhoheit lag noch uneingeschränkt bei den Ländern. Und draußen vor der Tür des Berliner Reichstages stand die Mauer und herrschte noch der Kalte Krieg.
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Dem Projekt waren jahrelange heftige Kontroversen vorausgegangen. Seit der Regierungsübernahme von Kohl 1982 stand es unter dem Verdacht, dass sich darin die angekündigte geistig-moralische Wende kulturpolitisch niederschlagen sollte. Schon einige Monate zuvor hatte der erste große Erfolg von Geschichtsausstellungen eine Historikergruppe um den späteren Kohl-Berater Michael Stürmer zu einer "Denkschrift Deutsches Historisches Museum" veranlasst.
Kohl machte sich die Forderung zu eigen und bezeichnete das Projekt als "nationale Aufgabe von europäischem Rang". Sinn des Museums sollte sein, so später der erste Direktor Christoph Stölzl, "die Deutschen daran zu erinnern, dass es mehr gibt als die deutsche Teilung und das Scheitern der Nation".
Ein Kinderwagen vermittelt den Schrecken des "Deutschen Herbsts"
Der italienische Architekt Aldo Rossi wurde beauftragt, im Berliner Spreebogen ein Gebäude mit 22.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zu errichten. Doch dann fällt die Mauer. Und just am vorgesehenen Ort wird das neue Kanzleramt errichtet. Das DHM wiederum übernimmt das preußische Zeughaus Unter den Linden, in dem die DDR ihr "Museum der Deutschen Geschichte" eingerichtet hatte.
Auf Auktionen legt Stölzl den Grundstock für die heutige Sammlung von 700.000 Objekten zur deutschen Geschichte. Viele von ihnen waren oft in Überfülle in den 200 Ausstellungen zu sehen, die das DHM bis heute präsentierte. Auch stellte sich mitunter die Frage nach ihrer Aussagekraft. Kann man etwa Museumsbesuchern den Schrecken des "Deutschen Herbsts" von 1977 allein durch die Präsentation des Kinderwagens vermitteln, mit dem die RAF-Terroristen seinerzeit das Auto von Arbeitgeberpräsident Hans Martin Schleyer aufhielten?
Nationale Geschichte keineswegs überholt
Dass sich die ursprünglichen Befürchtungen einer politisch gefärbten Geschichtsschreibung nicht bewahrheiteten, lag wohl auch daran, "dass es sie gab", vermutet Jürgen Kocka. "Heute gibt es ein solches Maß an kritischer Aufmerksamkeit nicht mehr", fügt der Historiker hinzu, der die Arbeit des Museums als Beiratsmitglied maßgeblich mitbegleitet hat. "Das Museum muss daher sehr Acht geben, dass sich kein schleichender und zunehmender Einfluss der Bundesregierung ergibt."
2009 hatten Medien erstmals darüber berichtet, dass ein Ausstellungstext über die "Festung Europa" dem Kanzleramt mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) ein Dorn im Auge war und daraufhin ausgetauscht wurde. Ein Jahr später wurde die Ausstellung "Hitler und die Deutschen" später eröffnet als geplant. Es sollte mit 250.000 Besuchern die bislang erfolgreichste Projekt des Museums werden. "Mitnichten werden Ausstellungstexte im Bundeskanzleramt mitgeschrieben", sagt dazu der heutige Direktor Alexander Koch, der seit 2011 im Amt ist. "Wir sind nicht und waren nie ein Kanzler-Museum."
Trotz des zusammenwachsenden Europas hält er das Konzept eines Museums für nationale Geschichte keineswegs für überholt. Zwar sei in Frankreich gerade ein ähnliches Projekt aus politischen Gründen beerdigt worden, andere Länder hingegen wie Kanada, Neuseeland und Polen hätten sich hier an Deutschland ein Beispiel genommen.