Abtreibungen nicht primär strafrechtlich betrachten

Ernst-Wilhelm Gohl, evangelischer Landesbischof für Württemberg,  für eine Beibehaltung der gesetzlichen Regelung ausgesprochen.
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Ernst-Wilhelm Gohl, evangelischer Landesbischof für Württemberg, setzt sich für eine Beibehaltung der gesetzlichen Regelung ein.
Theologen
Abtreibungen nicht primär strafrechtlich betrachten
Die Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Neuregelung des Abtreibungsverbots hat eine innerkirchliche Debatte ausgelöst. Führende Theologen verteidigen den Text, aber es gibt auch ökumenischen Widerspruch.

In der Debatte über die Neuregelung des Abtreibungsverbots haben sich der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und der Stuttgarter katholische Bischof Gebhard Fürst für eine Beibehaltung der gesetzlichen Regelung ausgesprochen. Sie wollten auch zukünftig in einer zunehmend säkularer werdenden Gesellschaft für den Schutz des ungeborenen Lebens eintreten und zugleich an guten Rahmenbedingungen mitwirken, die es schwangeren Frauen und werdenden Vätern ermöglichen, "Ja zum Leben zu sagen", heißt es in einer am Donnerstag in Stuttgart veröffentlichten ökumenischen Erklärung.

Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich Mitte Oktober für eine teilweise Neuregelung außerhalb des Strafrechts ausgesprochen und sieht die Möglichkeit einer straffreien Abtreibung nach vorheriger verpflichtender Beratung bis zur 22. Schwangerschaftswoche. Bislang sind Abtreibungen nach Paragraf 218 Strafgesetzbuch illegal, bleiben aber unter bestimmten Bedingungen straffrei.

Gohl und Fürst kritisierten, mit dem Vorschlag verlasse man "den jahrzehntelangen ökumenischen Konsens in dieser Frage" und schwäche auf Dauer die Bedeutung der Kirchen in ethischen Debatten. Führende evangelische Theologinnen und Theologen sprachen sich in einem "Zeitzeichen"-Beitrag (online) dafür aus, Schwangerschaftsabbrüche nicht primär als strafrechtlich zu sanktionierendes Problem zu betrachten. Der Beitrag versteht sich als theologische Ausführung zu der EKD-Stellungnahme für die Kommission der Bundesregierung, die eine mögliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts prüfen soll.

Die Autoren des Online-Beitrags fordern, konsequenter als bislang die sozialpolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an den Anfang der Überlegungen zu stellen. Die strafrechtlichen Sanktionierungen, die selbstverständlich nicht vollständig ausgeschlossen werden könnten, sollten an deren Ende rücken. Es sei zynisch, das als "einen Rückschritt für den Lebensschutz" zu kritisieren, mahnen sie. Autoren des Beitrags sind Petra Bahr, die Mitglied des Ethikrats ist, der ehemalige Vorsitzende des Ethikrats, Peter Dabrock, der Ethiker Reiner Anselm, und der Vizepräsident des EKD-Kirchenamts, Stephan Schaede.

Bedingungen für ein "Ja" zum Kind verbessern

Die Gesellschaft sei nie aus ihrer Verantwortung entlassen, für den Lebensschutz und damit primär für familienfreundliche und unterstützende Rahmenbedingungen Sorge zu tragen, schreiben die Autoren. Die Verantwortungslast dürfe nicht einfach auf den Schultern einer schwangeren Person liegen, und das auch noch so, "dass umstandslos mit dem Strafrecht als Drohkulisse gewunken wird, um ein sachgerechtes Verhalten einzufordern".

Schwangere Frauen und Paare müssten Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichten, sich auch dann für ein Kind entscheiden zu können, wenn die Schwangerschaft ungeplant sei oder sich die Perspektiven der Frau oder des Paares im Laufe der Schwangerschaft verändert hätten, etwa durch wirtschaftliche Not, Partnerverlust oder auch pränataldiagnostische Befunde.

Die Autoren betonen, das in der schwangeren Frau heranwachsende menschliche Leben habe von Beginn an ein Lebensrecht. Werde diesem menschlichen Leben das Lebensrecht streitig gemacht, stelle sich unweigerlich die Schuldfrage. Eine Gesellschaft, die trotz einer im weltweiten Vergleich weit überdurchschnittlichen ökonomischen Lage, trotz Mahnungen der Sozialverbände, Kirchen und des Verfassungsgerichts nach wie vor nicht die Rahmenbedingungen geschaffen habe, um die seit langem nahezu konstant hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen radikal zu reduzieren, mache sich "theologisch gesehen vor Gott" schuldig.