Diamanten sind eines Mädchens bester Freund, sang Marilyn Monroe einst im Komödienklassiker "Blondinen bevorzugt" (1953). Und warum? Die Antwort hat Shirley Bassey in dem James-Bond-Film "Diamantenfieber" (1971) gegeben: "Diamonds are forever". Im Gegensatz zur flüchtigen Liebe ist ein Diamant für die Ewigkeit, und darum geht es im neunzehnten "Zürich-Krimi", der mit einer typischen Thrillerszene beginnt: Nach seinem feuchtfröhlichen Junggesellenabschied wacht ein Mann in einem Hotelzimmer neben einer weiblichen Leiche auf. Die Frau ist erschossen worden, die Pistole liegt neben ihr, also macht er sich umgehend aus dem Staub, weil ihm klar ist: Das sieht nicht gut für ihn aus. Die Frau war eine Geschäftspartnerin, mit der er vor einiger Zeit liiert war und gerade erst wieder eine Affäre hatte; und das wenige Tage vor seiner bevorstehenden Hochzeit. Sämtliche Indizien sprechen gegen ihn; die zurückgelassene Tatwaffe ist seine eigene Pistole.
Diese Konstellation ist schon mal reizvoll, zumal Rainer Ruppert in seinem ersten Drehbuch für den "Zürich-Krimi" von Beginn an keinen Zweifel daran lässt, dass Xavier Schliemann (David Rott) dass Opfer eines perfiden Komplotts ist. Aber dann setzt der Autor noch eins drauf. Männer wie Xavier nannte man früher Schürzenjäger, doch zu einer besonderen Figur wird der Liebesabenteurer durch seinen Beruf: Er handelt mit synthetischen Diamanten aus eigener Herstellung. Damit hat er sich mächtige Feinde gemacht. Die künstlich hergestellten Steine sind nicht nur wesentlich preiswerter, es klebt auch kein Blut an ihnen, weshalb sich gerade eine sensible junge Käuferschicht sehr dafür interessiert. Möglicherweise will der klassische Handel den Emporkömmling in seine Schranken weisen. Anwalt Borchert (Christian Kohlund) findet zudem heraus, dass zwei der wichtigsten Abnehmer von Schliemanns Ware kürzlich ums Leben gekommen sind, der eine bei einem Überfall, der andere bei einem Verkehrsunfall.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Regie führte wie zuletzt bei Episode Nummer 18 ("Borchert und der Mord ohne Sühne") Connie Walther; erneut hat ihre Umsetzung nicht die Dichte der Filme, die Roland Suso Richter für die Reihe gedreht hat. Diesmal ist auch die Bildgestaltung (wieder Birgit Gudjonsdottir) nicht weiter auffällig, weshalb ein Zeitlupenmoment, als jemand belastende Indizien verbrennt, prompt etwas effekthascherisch wirkt. Ein optisches Erlebnis ist allein der Besuch einer Ausstellung der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist, zumal die Objekte perfekt zum Thema des Films passen: Edelsteine, belehrt eine Juwelierin (Katja Lechthaler) den Anwalt, "sind Emotionen, große Gefühle, Erinnerungen." Selbstredend spricht sie dabei von echten Diamanten, auch wenn sie ihren Enthusiasmus später revidiert: "Am Ende sind es nur Steine."
Das Drehbuch bedient sich zweier typischer Krimi-Versatzstücke: Ein Hauptverdächtiger scheidet unfreiwillig aus dem Leben, weshalb die Ermittlungen wieder von vorn beginnen, und emotionale Nähe geht selten gut aus. Das gilt diesmal allerdings offenbar vor allem für Kanzleipartnerin Dominique (Ina Paule Klink), denn zu gemeinsamen Studienzeiten war auch sie eine Weile mit Xavier liiert. Dass seine Flucht aus dem Hotelzimmer geradewegs zu ihr führt, weckt prompt einigen Argwohn in ihrem Freund: Kaum haben sich die Anwältin und der Polizeihauptmann (Pierre Kiwitt) wieder versöhnt, stehen sie erneut auf unterschiedlichen Seiten.
Neben den interessanten Ausführungen zum wirtschaftlichen Hintergrund lebt der Film ohnehin stark vom personellen Geflecht, denn da ist ja auch noch Xaviers zukünftige Frau Greta (Nurit Hirschfeld): Käme der Bräutigam ins Gefängnis, wäre sie laut Vertrag die alleinige Besitzerin der gemeinsamen Firma. Ein Alibi hat sie nicht, in der Nähe des Hotels war sie zur fraglichen Zeit auch, sodass Borchert wieder mal eine jener Weisheiten formulieren kann, die allein dank Kohlunds Charisma nicht abgedroschen wirken: "Menschen können entsetzliche Dinge tun, wenn sie verletzt sind." Damit gelingt Borchert das Paradoxon, sein Ziel zwar verfehlt, aber trotzdem perfekt ins Schwarze getroffen haben. Den Verdacht gegen Greta verwirft der Anwalt, der mittlerweile eher wie ein Privatdetektiv agiert, trotzdem recht bald wieder: Die Vorstellung, das Imperium der alteingesessenen Diamantenhändler habe zurückgeschlagen, passt viel besser in sein Weltbild.