TV-Tipp: "Tatort: Aus dem Dunkel"

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8. Oktober, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Aus dem Dunkel"
Bei Krimis schwang schon immer die Befürchtung mit, sie könnten zur Nachahmung anregen. Tatsächlich war sich die Wirkungsforschung lange uneins, ob zum Beispiel Gewaltdarstellungen einen stimulierenden Effekt haben oder im Gegenteil sogar dazu beitragen könnten, Aggressivität abzubauen. Der fünfte, letzte und beste "Tatort" mit Heike Makatsch als Mainzer Ermittlerin Ellen Berlinger weckt daher ein gewisses Unbehagen, das nicht nur aus der Handlung resultiert.

Der Krimi trägt seinen Titel "Aus dem Dunkel" völlig zu recht: Die Geschichte ist von einer beklemmenden Düsternis. Zentrale Figur ist ein Mann, der sich daran labt, seine weiblichen Opfer in den Tod zu treiben. Der Psychoterror, den er dabei ausübt, ist derart wirkungsvoll, dass sein Vorgehen rachsüchtigen Männern (und natürlich auch Frauen) durchaus als Blaupause dienen könnte. 

Neben dem Drehbuch beeindruckt der Film vor allem durch die vorzügliche Bildgestaltung: Regisseur Jochen Alexander Freydank und Kameramann Namche Okon haben die perfekte Atmosphäre für die finstere Handlung geschaffen. Gerade die Innenaufnahmen wecken die Assoziation zu Unterwasserbildern aus einem dunklen Waldsee, was wiederum zur Gemütsverfassung der Opfer passt: Die Frauen haben den Angriffen nichts entgegenzusetzen.

Geradezu perfide lässt Autor Jürgen Werner seinen Schurken alle sich bietenden Register ziehen, zumal der Verbrecher ein IT-Fachmann ist. Schon im analogen Zeitalter konnten Kerle ihren Exfreundinnen das Leben zur Hölle machen, aber die Digitalisierung bietet natürlich ganz andere Möglichkeiten. Weil der Mann dank entsprechender Spionage-Software praktisch alles über seine Opfer weiß, verstärkt er ihre Schuldgefühle und setzt sie derart unter Druck, dass sie schließlich tatsächlich keinen anderen Ausweg mehr sehen, als dem Schrecken ein finales Ende zu bereiten. Mit einem derartigen Suizid beginnt der Film auch.

Jenseits des sinistren Themas fesselt Werners Drehbuch auch durch die personelle Konstellation. Ellen Berlinger muss diesmal ohne ihren Partner Rascher klarkommen. Als Ersatz bietet sich ein Streifenpolizist an: Thomas Engels ist zu spät gekommen, um die Frau zu retten, die sich zum Auftakt vom Balkon fallen lässt, nachdem ein unbekannter Anrufer sie in den Tod getrieben hat. Dass er die Wohnungstür aufgebrochen hat, macht ihn in den Augen von Berlingers Kollegen Wagner (Ludwig Trepte) allerdings ziemlich verdächtig.

Dank seiner düsteren Aura ist Andreas Döhler eine gute Wahl für diese Rolle, zumal Engels tatsächlich eine tragische Figur ist: Bei einem Einsatz hat er vor einigen Jahren einen unbewaffneten Mann erschossen. Die Nebenhandlung hat jedoch noch eine Fußnote, die Werner erst später offenbart. Dieser Subtext wirft zumindest die Frage auf, ob Engels’ Motive, Berlinger bei der Suche nach dem Verbrecher beizustehen, wirklich uneigennütziger Natur sind; womöglich will er auch bloß eine alte Rechnung begleichen, als er seinen Vorgesetzen (Rainer Sellien) als Verdächtigen anbietet. 

Allerdings lassen Werner und Freydank etwa in der Mitte des Films die Katze aus dem Sack und offenbaren die Identität des Unholds, Daniel König (Matthias Lier). Damit nehmen sie der Handlung zwar einen Teil ihrer Spannung, können der Geschichte aber eine weitere Ebene hinzufügen. Zur zentralen Figur des Krimis wird mehr und mehr das aktuelle Objekt der verbrecherischen Begierde. Freydank hat darauf verzichtet, die Frau (Susanne Wuest) als Opfer zu inszenieren: Julia Ritter ist erfolgreiche Unternehmerin und alles andere als ein ängstlicher Typ. Trotzdem genügt eine Szene, um ihre Verletzlichkeit zu illustrieren, als in einer Tiefgarage plötzlich das Licht ausgeht und sich prompt eine moderne Urangst einstellt. 

Okon hat seine Bilder oft aus einer "Peeping Tom"-Perspektive aufgenommen, wie der Originaltitel von Michael Powells Psychothriller "Augen der Angst" (1960) lautete. Hauptfigur des Klassikers ist ein Kameramann, der die Ermordung seiner Opfer filmt (Peeping Tom ist der englische Begriff für Spanner). In "Aus dem Dunkel" verstärkt dieser Blickwinkel einerseits das allgemeine Unbehagen, zwingt das Publikum andererseits aber auch zur teilnehmenden Beobachtung; ein uraltes Kinomotiv. Erheblichen Anteil an der Wirkung der Filmbilder hat neben den clever eingesetzten Horrorfilmeffekten auch die Musik (Andrej Melita), die wie ein Raubtier im Dickicht lauert, jederzeit bereit, zuzuschlagen. Wie durchdacht die Bildgestaltung ist, illustriert eine Einstellung, nachdem König seine digitalen Spuren verwischt hat: Nun verschwindet auch er langsam aus dem Bild. 

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