Seit elf Jahren nehmen deutsche Soldaten am Krieg in Afghanistan teil; in größtmöglich passiver Form zwar, aber spätestens die Bombardierung der Tanklaster bei Kunduz und die damit verbundene Ermordung von 140 Einheimischen vor drei Jahren hat der deutschen Öffentlichkeit verdeutlicht, dass man nicht unbeteiligt an einem Krieg teilnehmen kann. Als Thema taucht der Afghanistan-Einsatz immer wieder in Fernsehfilmen auf, weil die Dramen über traumatisierte Kriegsheimkehrer mittlerweile fast ein eigenes Genre bilden. Eine Geschichte, die sich dezidiert damit auseinandersetzt, wie deutsche Soldaten die Sicherheit ihrer Heimat am Hindukusch verteidigen, hat es bislang jedoch nicht gegeben; selbst wenn die im Frühjahr ausgestrahlte ProSieben-Produktion "Willkommen im Krieg" dem Sujet sehr nahe gekommen ist. Dass sich die Handlung in Afrika abspielte und der Film eine Komödie war, tat der Botschaft keinen Abbruch.
Die Gewissensfrage
"Auslandseinsatz" aber verzichtet auf jede Form von Verpackung oder Ausflüchte: Die Hauptfiguren und mit ihnen die Zuschauer kommen nicht einen Moment auf die Idee, dass der Ausflug nach Südasien eine vergnügliche Spritztour sein könnte. Geschickt stellen Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt ("Mörder auf Amrum") und Koautorin Nikola Bock zudem einen Konflikt ins Zentrum, den jeder nachvollziehen kann, denn die Gewissensfrage, mit der die Soldaten in Afghanistan konfrontiert werden, droht die Freundschaft von Ronnie (Hanno Koffler) und Daniel (Max Riemelt) zu zerstören: Der eine will eingreifen, als die Taliban ein Mädchen und eine Entwicklungshelferin (Bernadette Heerwagen) verschleppen, der andere will sich, den Befehlen entsprechend, raushalten. Am Ende siegt zwar die Moral, doch das ändert nichts am grundsätzlichen Dilemma: Die Bundeswehrangehörigen mögen mit den besten Absichten nach Afghanistan gekommen sein, und vielleicht tragen sie sogar zu einer Lösung bei; aber sie sind auch Teil des Problems.
Die größte Leistung von Regisseur Till Endemann ("Flug in die Nacht – Das Unglück von Überlingen") bestand womöglich darin, das Gefühl größtmöglicher Authentizität herzustellen. Wie gut ihm das gelungen ist, kann nur jemand beurteilen, der selbst in Afghanistan war, aber es wirkt alles sehr überzeugend: die Landschaft (gedreht wurde in Marokko), die Einheimischen, die Konflikte zwischen den friedlichen Bürgern und den despotischen Taliban, die verschiedenen Haltungen der Soldaten. Nicht minder interessant als die beiden Protagonisten ist Omar El-Saeidi als Emal, ein gebürtiger Afghane, der in Deutschland aufgewachsen ist, nun als Soldat zu seinen Wurzeln zurückkehrt und prompt zwischen alle Stühle gerät. Ähnlich reizvoll ist die Figur des zwischen Tradition und Moderne hin- und hergerissenen Bürgermeister (Vedat Erincin) des Ortes, in dem Daniels Trupp die durch eine US-Drohne zerstörte Schule wiederaufbauen soll. Mehr als bloß eine Abrundung des Personals ist Devid Striesow als Kommandeur des Außenpostens, der als Privatperson große Anerkennung für die Eigenmächtigkeit seiner Untergebenen empfindet, die Befehlsverweigerung aber dennoch bestrafen muss.
Äußerst gewöhnungsbedürftig ist allerdings die pseudodokumentarische Bildgestaltung: Endemann und sein bevorzugter Kameramann Lars R. Liebold haben sich an amerikanischen Vorbildern wie Kathryn Bigelows "Oscar"-prämiertem Irakfilm "Tödliches Kommando - The Hurt Locker" orientiert, weshalb sich ständig die Einstellungsgröße ändert oder das Bild ruckartig aus der Totale in die Halbtotale wechselt. Die auf diese Weise vermittelte Unruhe mag zwar dem permanent angespannten psychischen Zustand der Soldaten entsprechen, nervt auf Dauer jedoch.