Der alte Grantler: Günter Grass wird 85

Foto: epd-bild/Stefan Boness/Ipon
Der alte Grantler: Günter Grass wird 85
Sein Geburtstagsgeschenk kennt er schon: Nobelpreisträger Günter Grass wird am 16. Oktober 85 Jahre alt, und ihm zu Ehren eröffnet das Günter-Grass-Haus seine neue Dauerausstellung. Es geht um Kunst, politisches Engagement - und um Skandale.
16.10.2012
epd
Thomas Morell

Es ist schon erstaunlich, dass ein Künstler über so viele Jahre so beharrlich aneckt. Günter Grass hat in diesem Jahr mit einem Gedicht gegen Israel wieder so viele Menschen gegen sich aufgebracht wie kein anderer Autor. Sein Schriftstellerkollege Max Frisch habe ihm einst empfohlen, verriet Grass jüngst bei einer Lesung, im Alter zornig zu bleiben. Am heutigen Dienstag wird der Schriftsteller, Bildhauer, linke Bürger, Nobelpreisträger, Grafiker und Lyriker 85 Jahre alt. Zum Geburtstag eröffnet das Günter-Grass-Haus in Lübeck eine neue Dauerausstellung.

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In seinem Text "Was gesagt werden muss", den Grass im April in drei europäischen Zeitungen als "Gedicht" veröffentlichte, warnt er vor einem Angriff Israels auf den Iran. Nicht der Iran, sondern Israel mit seinen Atomwaffen gefährde den brüchigen Weltfrieden, heißt es.

Dass seine altgedienten Widersacher mit Schmähungen reagierten, war nicht weiter verwunderlich. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte es "ein ekelhaftes Gedicht", das politisch und literarisch wertlos sei. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte das Gedicht als ignorant und verwerflich. Seine Regierung verhängte ein Einreiseverbot. Aber selbst politische Freunde äußerten Kritik. "Falsche Argumente" und "teilweise sehr unglückliche Formulierungen", urteilte der SPD-Politiker Wolfgang Thierse. Dennoch sollte ihn die SPD nicht vom Wahlkampf ausschließen.

Das Rauchen will er nicht aufgeben

Kurz nach Veröffentlichung seines Gedichts musste Grass sich wegen Herzproblemen in einer Hamburger Klinik behandeln lassen. Das Alter ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Das Rauchen will er dennoch nicht aufgeben, und er bleibt der einzige, der in den Arbeitszimmern des Grass-Hauses rauchen darf.

Spätestens seit Verleihung des Nobelpreises 1999 gilt Grass als bedeutendster deutscher Schriftsteller der Gegenwart. Mehr als 70 Titel in rund 40 Sprachen umfasst sein Werk, und Grass bleibt produktiv. Zum Geburtstag erscheint der Band "Eintagsfliegen" mit 87 Gedichten, die auch das heikle Thema Israel nicht aussparen: Ein Gedicht ehrt den Techniker Mordechai Vanunu, der die Existenz des israelischen Atomwaffenprogramms öffentlich machte und in Israel wegen Spionage zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde.

"Blechtrommel" größter Erfolg

Wer es etwas ausführlicher mag, kann zur "Göttinger Ausgabe" mit knapp 9.000 Seiten greifen. Grass' größter Erfolg bis heute bleibt "Die Blechtrommel" (1959): Oskar Matzerath, der kleine Trommler und Außenseiter, erzählt das Leben im Danzig der Nazi-Zeit und der Nachkriegsjahre.

Grass gilt als deutsch-polnischer Botschafter. Geboren wurde er 1927 in Danzig, sein Vater war deutschstämmig, seine Mutter kaschubischer Abstammung. Das Grass-Haus dokumentierte vor zwei Jahren mit der Ausstellung "Von Danzig nach Lübeck" das besondere Verhältnis des Schriftstellers zum Nachbarland Polen. Heute lebt Grass mit seiner zweiten Frau Ute in Behlendorf bei Lübeck.

Fast bekannter als der feinfühlige humorvolle Künstler Grass ist der linke politische Polterer. Er protestierte gegen die Abschiebung von Kurden, unterstützte Sinti, Roma und ehemalige NS-Zwangsarbeiter, kritisierte den Krieg in Afghanistan und verteidigte ihn im Kosovo. Doch schon einmal musste Grass ähnlich harte Kritik einstecken wie in diesem Jahr. Im August 2006 hatte er öffentlich eingeräumt, dass er kurz vor Kriegsende Mitglied der Waffen-SS gewesen war. Zwar hatte er aus seiner Nazi-Begeisterung als Jugendlicher nie ein Hehl gemacht, doch man nahm ihm den späten Zeitpunkt des Geständnisses übel.

Auch Grafiker und Bildhauer

Leicht übersehen werden Grass' künstlerische Leistungen als Grafiker und Bildhauer. So hat er in Düsseldorf und Berlin zwar Kunst, nicht aber Literatur studiert. Bis heute wechseln sich bei ihm Phasen des Schreibens und des Zeichnens ab. Diese Doppelbegabung hat das Grass-Haus zum Programm gemacht und Künstler wie Janosch, Hermann Hesse und Johann Wolfgang von Goethe mit ihren literarischen und bildnerischen Werken ausgestellt.

Vor zehn Jahren, zum 75. Geburtstag des Künstlers, wurde das Grass-Haus in der Lübecker Altstadt eröffnet. Ein weiteres Museum ist in Arbeit: Derzeit lässt sein Verleger Gerhard Steidl in der Göttinger Altstadt eines der ältesten Häuser Deutschlands umbauen. Eröffnet werden soll es im kommenden Jahr.

Im Lübecker Grass Haus wurde am Sonntag die neue Dauerausstellung über Grass eröffnet. Für die Musik sorgt Helge Schneider mit Jazz. Multimedia-Tische sollen es den Besuchern künftig ermöglichen, aktuell auf die Arbeit des Künstlers einzugehen. Gezeigt würden Themen, die Grass sein Leben lang begleitet hätten, heißt es in der Vorankündigung: Bildende Kunst, Frauenbilder, politisches Engagement - und Skandale.