Gedanken zur Woche: Gotteslästerung und Pussy Riot

Foto: dpa/Mitya Aleshkovsky
Gedanken zur Woche: Gotteslästerung und Pussy Riot
Der Prophet Amos wurde verbannt, weil er den Gottesdienst störte - am Ende hatte er Recht. In den "Gedanken zur Woche" im Deutschlandfunk spricht Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz über Gotteslästerung und Pussy Riot.
12.10.2012
evangelisch.de

Für ihren Auftritt in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im vergangenen Februar sind an diesem Mittwoch die endgültigen Urteile ergangen: Zwei Mitglieder der Punk-Band "Pussy Riot" müssen für zwei Jahre ins Straflager. Eine junge Frau wurde nur auf Bewährung verurteilt, weil sie von einem Ordner im Vorfeld an dem Auftritt gehindert worden war. Die Anklage und Verurteilung der Bandmitglieder haben weltweit Proteste hervorgerufen, die aber nicht viel nützten.

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"Pussy Riot" ist ein Name, den mancher schon nicht gern in den Mund nimmt, und ihre Aktion in der Kirche war einerseits politisch gegen Putin gerichtet, andererseits deutlich gegen die russisch-orthodoxe Kirche. Schon dass die Frauen den vorderen Bereich der Kathedrale betreten haben, ist in Russland ein Skandal. Und dann haben sie die russisch-orthodoxen Priester und den Patriarchen, ihr Oberhaupt, wüst beschimpft. Viele finden das geschmacklos, andere sehen darin eine Verzweiflungstat, wieder andere eine geniale Aktion gegen die unselige Verquickung von Kirche und Staat im heutigen Russland. Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Die Punk-Band "Pussy Riot" hat für ihr mutiges Auftreten bereits den Ono-Lennon-Friedenspreis erhalten, und sie gehören in diesem Jahr zu den Finalisten des Sacharow-Menschenrechtspreises des Europäischen Parlamentes. Letzte Woche kam eine weitere Nominierung hinzu: Die Stadt Wittenberg schlug die Band für den Lutherpreis dieses Jahr vor, der das "unerschrockene Wort" ehrt. Der Preis wird von 16 Lutherstädten gemeinsam vergeben. Doch darüber gibt es Streit. Ob "Pussy Riot" diesen Preis verdient hat oder nicht, will ich hier nicht entscheiden. Ziemlich verstört hat mich jedoch, mit welchen Argumenten die Nominierung hierzulande kritisiert wurde. Ein prominenter Theologe warf den Frauen "lästerliches Reden" vor. In der Presse ist das als "Gotteslästerung" wiedergegeben worden.

So gotteslästerlich ist die Bibel auch

Das ist derselbe Vorwurf, den die russisch-othodoxe Kirche und das Gericht dort erhebt. Er ist aber unsachlich und verleumderisch. In ihrem Punk-Gebet im Februar fordert die Band die Jungfrau Maria auf, Feministin zu werden, und bittet sie darum, Putin zu vertreiben. Warum das gotteslästerlich sein soll, ist mir schleierhaft. Zwischen Geschmacklosigkeit und Gotteslästerung ist ein großer Unterschied. Für die Verletzung religiöser Gefühle der Gläubigen hat "Pussy Riot" um Entschuldigung gebeten. Wenn es gotteslästerlich ist, dass sie Maria auffordern, Putin zu vertreiben, dann sind es die Gebete und Aufrufe russischer Kleriker für Putin erst recht. Vor zwei Jahren habe ich selbst versucht, mit Abgesandten des russisch-orthodoxen Patriarchen über die Verquickung von Kirche und Staat in Russland zu diskutieren. Es ist aussichtslos. Sie sind westlichen Argumenten völlig unzugänglich.

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Wer "Pussy Riot" und ihrem Protest in der Kirche Gotteslästerung vorwirft, der wird auch Stellen in der Bibel gotteslästerlich finden. Denn der Propheten Amos trat schon im achten Jahrhundert vor Christus als Gottesdienststörer auf. Während einer Opferfeier in einem Heiligtum störte er die Festivitäten:

21 Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie, rief er im Namen Gottes, und mag eure Versammlungen nicht riechen.
22 Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen.

Den Propheten Amos ereilte damals ein ähnliches Schicksal wie die beiden Mitglieder der Punkband: Er wurde zeitlebens verbannt. Gott aber gab ihm Recht und Nordisrael ging unter, wie er es vorausgesagt hatte. Der Auftritt von "Pussy Riot" mag geschmacklos gewesen sein, inhaltlich aber haben sie in vielem Recht.