'Anglicath' und Pappkirche: Streit in Christchurch

Foto: GettyImages/Handout
Der Entwurf für die Kathedrale aus Pappe, die der japanische Architekt Shigeru Ban in Christchurch baut.
'Anglicath' und Pappkirche: Streit in Christchurch
Die Erdbeben 2011 zerstörten viele Gebäude im Süden Neuseelands, aber ein Bild prägte sich besonders ein: Die eingestürzte Kathedrale in Christchurch. Sie soll wieder aufgebaut werden - vielleicht sogar als gemeinsame anglikanisch-katholische Superkathedrale. Eine umstrittene Idee, die in beiden Konfessionen heftig diskutiert ist. Bis es so weit sein könnte, halten die Anglikaner in Christchurch ihre Gottesdienste in einer Kirche aus Pappe.

Um 12 Uhr 51 am 22. Februar 2011 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6,3 die Stadt Christchurch auf der Südinsel Neuseelands. Häuser, Geschäfte, Schulen, Krankenhäuser und Kirchen wurden durch das Beben zerstört oder schwer beschädigt. Auch die anglikanische und katholische Kathedrale sind seit dem Beben nur noch Ruinen. Eine Reihe von Folgebeben – das vorerst letzte große erschütterte Christchurch am Tag vor Heiligabend 2011 – sorgten für weitere Schäden.

Es blieb nicht das einzige Rütteln am Gerüst des Landes. Anfang September 2012 sorgte eine Idee einer anglikanisch-katholischen Superkathedrale für ein theologisches Beben Neuseeland. Warum, so einige Anglikaner, soll viel Geld für den Neubau oder den Wiederaufbau von zwei Kathedralen ausgegeben werden? Man könnte doch zusammen auch eine gemeinsame Kathedrale bauen. Eine Kathedrale der Christen in Christchurch.

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Die Idee ist unverbindlich und inoffiziell. Niemand auf beiden Seiten mag öffentlich darüber sprechen. Anfragen an den katholischen Bischof Barry Jones und die anglikanische Bischöfin Victoria Matthews in Christchurch für diese Geschichte blieben unbeantwortet. Lediglich Simone Olsen, Pressesprecherin der katholischen Bischofskonferenz, beschied schmallippig: "Es hat keinen Versuch gegeben, die Idee mit uns zu diskutieren. Das ist also nicht wirklich eine Story und daher gibt es zu dieser Idee auch keine Stellungnahmen." Bischof Jones sagte Anfang September gegenüber neuseeländischen Medien lediglich, die Vorstellung der beiden Kirchen in einem Gebäude falle ihm "schwer".

Praktiziertes Church sharing

Die Anglikaner sind über die Idee der ökumenischen Superkathedrale gespalten. John Sheef, seines Zeichens anglikanischer Generalvikar in Christchurch, hingegen beschied neuseeländischen Medien knapp: "Soweit ich weiß ist nichts dergleichen auf dem Radar." Eine Gruppe, zu der offenbar die aus Kanada stammende Bischöfin Matthews gehört, ist zumindest bereit, über diese Idee zu diskutieren. "Es gibt darüber Gespräche, aber diese Gespräche finden unter uns statt", sagte die Bischöfin gegenüber neuseeländischen Medien.

Matthews wies zudem pointiert daraufhin, dass diese Art von "church sharing" in Christchurch schon praktiziert werde. Die Erdbeben hätten einen "Geist der Kooperation" zwischen den Konfessionen geweckt. Drei Kirchen würden der jeweils anderen Konfession, deren Gotteshäuser durch die Beben unbenutzbar geworden seien, gestatten, in ihren Kirchen Messen abzuhalten.

Olsen verweist auf einen kürzlich auf der Webseite Cath News New Zealand der katholischen Kirche erschienen Beitrag mit dem Titel "Super-Kathedrale in Christchurch ein Pipe Dream". Die Pressesprecherin warnt jedoch davor, diesen Text des Religionswissenschaftlers Mike Grimshaw von der Universität Canterbury in Christchurch, auch nur annähernd als Wiedergabe des Diskussionsstands der katholischen Kirche  zu sehen.

"Alles spricht gegen eine gemeinsame Kathedrale"

Grimshaw führt in dem Text eine Reihe von Argumenten gegen die ökumenische Superkathedrale an. "Hochanglikaner mögen darüber glücklich sein, aber viele andere Anglikaner sind sehr protestantisch. Sie mögen nicht so viele Bilder, sie wollen keine Marienstatuen, sie wollen keinen Kreuzweg in der Kirche. Was soll man also machen? Diese Dinge (je nach Gottesdienst) aus der Kirche rein- und raustragen?", schreibt Grimshaw und fährt fort: "Die Unterschiede der beiden Kirchen wie die Ordinierung von Frauen zu Priestern und die Doktrin über Maria, die Mutter von Jesus, machen den Vorschlag unmöglich...Alles spricht gegen eine gemeinsame Kathedrale."

Im Kirchenvolk überwiegt die Skepsis gegenüber einer katholisch-anglikanischen Kathedrale, wie eine lebhafte Debatte auf Facebook zeigt. "Es sprechen zu viele Dinge gegen langfristige gemeinsame Nutzung, aber es ist immer gesund, miteinander zu sprechen", findet eine Carol Carr. Kenny Moore Michel Walter ist sich sicher: "Es wird niemals passieren, dass zwei religiöse Gruppe sich auf was einigen."

Sandy Hemopo, Anglikanerin, aber "keine Kirchgängerin", sorgt sich darüber, was "Queen Elizabeth als Oberhaupt der Anglikanischen Kirche zu all dem sagen würde". Ein Tjalling Jonker kann hingegen dem Gedanken, dass "all die guten Taten von Heinrich VIII. von einer kanadischen Hohepriesterin rückgängig gemacht werden" einiges abgewinnen. "Christchurch könnte dann der Geburtsort der Religion 'Anglicath' werden."

Zu Weihnachten wird die Pappkirche noch nicht fertig

Die anglikanische Kirche in Christchurch plagen unterdessen ganz konkrete Sorgen über die Zukunft der von den Beben zerstörten anglikanischen Kathedrale. Im Frühjahr dieses Jahres verkündete Bischöfin Matthews, die von den Erdbeben stark beschädigte anglikanische Kathedrale müsse bis auf die Grundmauern abgerissen werden.

Das Innere der geplanten Kirche aus Pappe. Foto: GettyImages/Handout

Die Abrissbirne hängt jedoch derzeit bewegungslos in der Luft bis die Gerichte über Einsprüche gegen den Abriss des historischen Bauwerks entschieden haben. Ein Gegengutachten unabhängiger Architekten war im Juli dieses Jahres zu dem Schluss gekommen, ein "Maximum an Erhalt" der Kathedrale sei "ohne Sicherheitsrisiken" möglich.

Abriss, Neubau, Wiederaufbau Superkathedrale – diese Themen sorgen für lebhafte Debatten am Schönsten Ende der Welt. Unstrittig ist allerdings bei den Anglikanern die Kathedrale aus Pappe, die bis zur Beilegung der Debatten als Übergang gebaut wird. Die Idee zur Pappkirche hatte Craig Dixon, Dean der Kathedrale, als ihm zufällig das Magazin Urbis mit einem Artikel über den japanischen Stararchitekten Shigeru Ban in die Hände kam. Ban hat sich mit Papparchitektur einen Namen gemacht. Eines seiner bekanntesten Pappprojekte des Japaners ist die katholische Kirche Takatori im japanischen Kobe, einer Stadt, die wie Christchurch durch ein Erdbeben zerstört worden war.

Der Bau des Gotteshauses mit einer Kapazität für 700 Menschen hat begonnen. "Das Fundament ist gelegt. Die Pappröhren sind in der Fertigung und die erste kann Ende Oktober gesetzt werden", sagt Dixon. Nur aus Weihnachten als Wunschtermin für die Einweihung der Pappkirche werde "leider" nichts. "Wir gehen nun davon aus, dass der Bau bis Ende Februar 2013 steht."