Wo bis vor kurzem noch allsonntäglich gesungen und gebetet wurde, sollen künftig Minka und Waldi mit dem Segen des Höchsten zu Grabe getragen werden. In der kleinen Pauluskirche im baden-württembergischen Albstadt-Pfeffingen auf der Schwäbischen Alb entsteht gerade Deutschlands erste Tierbestattungskirche.
Die Idee dazu hatten Ellen Weinmann und Florian Düsterwald. Sie sind Betreiber der Tierbestattung Schönhalde. Und sie beobachten seit geraumer Zeit einen gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Haustieren. "Minka ist längst nicht mehr nur die Hofkatze, die Mäuse fängt", sagt Düsterwald. "Sie ist ein vollwertiges Familienmitglied, um das beim Ableben ähnlich getrauert wird, wie um einen nahestehenden Menschen." Immer mehr Tierbesitzer wünschten sich einen würdigen Abschied von ihren Lieblingen.
Eher durch Zufall stießen Weinmann und Düsterwald Anfang des Jahres auf der Immobilienplattform "immoscout" auf das zum Verkauf stehende schlichte Kirchlein in der schwäbischen Provinz. Also nahmen sie Kontakt zum Anbieter auf, der örtlichen evangelisch-methodistischen Gemeinde - einer aus England stammenden Freikirche mit rund 55.000 Mitgliedern in ganz Deutschland. Die hatte das Gebäude aufgegeben, weil es seit Jahren leer stand und die Gemeinde ihre Gottesdienste inzwischen in einer anderen Kirche feiert.
Tierbestattungen als kirchliche Amtshandlung
Eine Kirche für Tierbestattungen, wie sie jetzt in Albstadt-Pfeffingen entsteht, ist in Deutschland bislang nicht bekannt. Dabei ist der Vorstoß, auch Tiere christlich zu bestatten, nicht neu. Der evangelische Theologe Thomas Klie aus Rostock etwa plädiert dafür, Tierbestattungen zu einer neuen Form einer kirchlichen Amtshandlung (Kasualie) zu machen. Ihn würde es reizen, einen tröstenden Ritus für die Bestattung von Haustieren zu entwickeln, erklärte Klie 2021 bei einer Veranstaltung zu neuen Ritualen des Bestattungswesens.
Und sein katholischer Kollege, der aus Unterfranken stammende Moraltheologe Michael Rosenberger, sagte in einem Interview, er würde jederzeit ein Haustier bestatten, wenn er danach gefragt würde. Die tiefe Beziehung zum Tier sei nichts Banales, sondern habe als echte und lebendige Beziehung bestanden, die mit dem Tod abgerissen sei: "Für mich ist diese Trauer völlig nachvollziehbar und diesen Menschen möchte ich beistehen."
Das wollen auch Ellen Weinmann und Florian Düsterwald. Anfang August übernahmen sie das 1955 errichtete Sakralgebäude, nachdem es zuvor in einem feierlichen Gottesdienst entwidmet worden war. Derzeit wird es umgebaut. Kreuz und Altar werden der Scheibe einer massiven, 150 Jahre alten Weißtanne weichen, auf der die verstorbenen Haustiere künftig zum Abschied aufgebahrt werden. Andere sakrale Elemente wie die kleine Kanzel oder die bunten Kirchenfenster werden erhalten bleiben.
Ende des Jahres soll in der Kirche die erste Tierbestattung stattfinden. Was den Rahmen der Abschiedsfeier angeht, so richte man sich nach den Wünschen der Kunden, erklärt Weinmann. "Manch einer möchte das Tier in seiner Trauer einfach so schnell wie möglich abgeben, andere zelebrieren ein vierstündiges Trauerritual mit dem Vaterunser auf Aramäisch, der Sprache Jesu." Nach der Trauerfeier kommt das Tier ins Krematorium nach Schwäbisch Hall. Anschließend kehrt die Asche in einer Urne zu den Besitzern zurück.
Allein dieses Jahr 600 Tiere bestattet
Allein in diesem Jahr haben Weinmann und Düsterwald bislang 600 Tiere bestattet - darunter so illustre Exemplare wie Alfred, den Ziegenbock, der in seinem Ort so etwas wie das Maskottchen und damit eine lokale Berühmtheit war. Oder Charly, den schwäbelnden Papageien aus Stuttgart. Der war mit seinem Herrchen über die Jahre zu einer solchen Symbiose verschmolzen, dass er ihn täglich nach dessen Heimkehr mit absoluter Zuverlässigkeit fragte: "Gibt’s heut koi Maultäschle?"
Düsterwald und Weinmann ist bewusst, dass sich Kirchenvertreter und auch Gläubige mitunter schwertun mit dem Angebot einer Tierbestattungskirche. Aber sie werben um Verständnis: "Wir betrachten das in erster Linie als Seelsorge an den Hinterbliebenen." Die Resonanz gibt ihnen recht: Bislang erhielten sie unter anderem bereits Anfragen aus Ulm, Unna und den USA.