Weißer Ring sieht "True Crime"-Boom kritisch

Frau am Telefon in düsterer Stimmung
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Die Opferschutzorganisation "Weißer Ring" verzeichnet immer mehr Beratungen für Betroffene, die von der medialen Aufbereitung ihrer eigenen, vor Jahren durchlittenen Erlebnisse überrascht werden. (Symbolbild)
Medien und Opferschutz
Weißer Ring sieht "True Crime"-Boom kritisch
Die Opferschutzorganisation "Weißer Ring" betrachtet das rasante Wachstum sogenannter "True Crime"-Formate in Zeitungen, Fernsehen und Internet mit Sorge. In den Beratungsstellen meldeten sich immer häufiger Betroffene, die von der medialen Aufbereitung ihrer eigenen, vor Jahren durchlittenen Erlebnisse überrascht würden.

Der Pressechef der Organisation, Karsten Krogmann, sagte in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst, es gebe Fälle, in denen Verbrechensopfer oder Angehörige durch die Berichterstattung erneut traumatisiert würden.

Für eine Ausgabe des Mitgliedermagazins hatten Krogmann und sein Team ein umfassendes Lagebild zu "True Crime"-Inhalten erstellt. Demnach bieten bereits 42 Prozent aller deutschen Lokal- und Regionalzeitungen ihren Lesern regelmäßige "True Crime"-Angebote. Weitere elf Prozent planen dies. Das Genre bezeichnet die unterhaltsame Aufarbeitung alter, besonders spektakulärer Kriminalfälle. Oft geht es in den Formaten um Morde oder Aufsehen erregende Serientäter. Typischerweise werden dazu Zeitzeugen, etwa ehemalige Ermittler oder Gerichtsreporter befragt.

Vor einer Veröffentlichung sollten Redaktionen überlegen, was es für die Betroffenen bedeute, wenn sie nach Jahren erneut ins Zentrum öffentlichen Interesses gerieten, sagte Krogmann: "Ich glaube, dass in vielen Redaktionen dieser Gedanke gar nicht präsent ist." Bei der Darstellung von Mordfällen seien die eingeschränkten Persönlichkeitsrechte von Toten ein Problem. So erlösche das Recht am eigenen Bild zehn Jahre nach dem Tod. Danach müssten Angehörige vor einer Veröffentlichung von Fotos nicht mehr gefragt werden: "Es ist sehr schwierig, sich dagegen zu wehren."

Redaktionen sollten in jedem Fall prüfen, ob tatsächlich noch ein öffentliches Interesse daran bestehe, einen 20 Jahre alten Mordfall erneut in allen Details zu erzählen, forderte Krogmann: "In vielen Fällen müsste die Antwort ehrlicherweise nein lauten." Falls dennoch ein Beitrag vorbereitet werde, sollten Autoren Kontakt zu Angehörigen suchen, damit diese nicht von einer Veröffentlichung überrascht werden. Zu einem wertschätzenden Umgang mit Verbrechensopfern gehöre auch, es zu respektieren, wenn jemand nicht mehr über vergangene Erlebnisse sprechen wolle.

Der "Weiße Ring" sei kein grundsätzlicher Gegner von "True Crime"-Inhalten. Vielfach gebe es - gerade bei ungelösten Verbrechen - ein Interesse der Opferfamilien, erneut über ihr Schicksal sprechen zu können. Bei Straftaten, die gesellschaftliche Missstände deutlich machten, bestehe vielfach ebenfalls weiter ein öffentliches Interesse, daran zu erinnern. Beispielhaft nannte Krogmann den Fall eines Krankenpflegers, der wegen 85-fachen Mordes an Patienten niedersächsischer Kliniken verurteilt worden war.

Der 1976 gegründete "Weiße Ring" berät seit mehr als 40 Jahren Kriminalitätsopfer und bietet ihnen Unterstützung bei Behörden- und Gerichtsterminen an. Die Organisation hat ihren Sitz in Mainz und verfügt über ein bundesweites Netz von mehr als 400 Außenstellen.

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