Bunt geschmückte Menschen, Regenbogenflaggen, laute Musik - und ein Truck der evangelischen Kirche. Bei der diesjährigen Parade anlässlich des Christopher Street Days (CSD) in Frankfurt will die Kirche Solidarität zeigen.
"Here and queer" lautet das Motto des CSD, "Here and queer - auch wir" steht auf den großen Schildern an den Längsseiten des Lkw, auf dem Pfarrerinnen und Pfarrer, Gemeindemitglieder und Kollegen anderer Berufe mitfahren werden.
Pfarrer Holger Kamlah, Prodekan des Stadtdekanats Frankfurt und Offenbach und designierter Nachfolger von Stadtdekan Achim Knecht, wird ebenfalls beim CSD dabei sein. "Es ist an der Zeit, ein deutliches Zeichen der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach zu setzen", begründet er seine Teilnahme im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) habe einen langen Lernprozess durchlaufen. Seit fünf Jahren gebe es die kirchenrechtliche Gleichstellung von heterosexuellen und homosexuellen Trauungen. Das aber, vermutet Kamlah, "ist in der Öffentlichkeit noch gar nicht richtig angekommen".
Er verweist auch auf das Schuldbekenntnis, das die Synode der EKHN im April mit großer Mehrheit abgelegt hat. Darin bekennt die Kirche, schuldig geworden zu sein an queeren Menschen. "Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle haben in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN Diskriminierung erfahren. Dem haben wir als Kirche nicht gewehrt", heißt es in dem Text.
Lebt mit uns im Glauben
Schlimmer noch, man habe "die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt", in dem man sich in Erklärungen und Verlautbarungen "einseitig auf ein nur binäres, heteronormatives und letztlich patriarchales Familienmodell" bezogen habe.
Kamlah begrüßt die Entwicklung der EKHN und das Schuldbekenntnis. "Gott segnet alle Liebenden. Das haben wir verstanden." Mit der Beteiligung am CSD wolle er dieses Selbstverständnis sichtbar machen und queere Menschen einladen, "mit uns ihren Glauben zu leben".
Er könne sich vorstellen, dass es auch Kritik für die Teilnahme der Kirche am CSD geben wird. "Aber nicht aus den Reihen der Kirche", vermutet Kamlah. Dort sei das Thema "einfach durch". Ihm fallen spontan im Dekanat Frankfurt und Offenbach neun gleichgeschlechtliche Paare in Pfarrhäusern ein. "Das ist inzwischen Alltag." Einer der ersten, der mit seinem Partner in ein Pfarrhaus gezogen ist, war Nulf Schade-James. Er ist seit 1989 Pfarrer in der Kirchengemeinde Frieden und Versöhnung in Frankfurt.
Beim CSD macht er seit 2001 mit. "Wir sind als Kirchengemeinde mitgelaufen", erinnert er sich. Das sei eine Entscheidung des Kirchenvorstands gewesen. Zunächst habe die Gruppe eine riesige Regenbogenflagge getragen, anschließend sei das Banner der Gemeinde dazugekommen und dann auch das Logo der EKHN. "Wir haben uns nie für den Demonstrationszug angemeldet", erzählt Schade-James. Die Kirchenleute seien mit den drei Fahnen einfach dazu gestoßen und vorneweggelaufen. Das sei so lange gutgegangen, bis die Organisatoren des CSD gemerkt hätten, "dass eigentlich der ganze Zug der EKHN-Fahne hinterherläuft". Danach musste sich die Gemeinde anmelden und einreihen.
Applaus und Anfeindungen beim CSD
Für die Kirche beim CSD habe es Applaus gegeben, aber auch Anfeindungen, sagt Schade-James. Er sei oft gefragt worden: "Wie kannst du als Schwuler bei der Kirche arbeiten, einer Institution, die Homosexuelle seit Jahrhunderten diskriminiert?" Das Befremden habe sich größtenteils gelegt. "Wir erweisen der Community einen großen Dienst, indem wir zeigen: Die Kirche sagt Ja zu Schwulen und Lesben", ist sich Pfarrer Schade-James sicher. "Für unsere Kirche bräuchten wir keinen CSD mehr", sagt der Seelsorger. Aber solange Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und getötet werden, sei die Teilnahme ein wichtiges Signal an die Welt. "Auch an unsere Partnerkirchen, etwa in Ghana und anderswo."
Der bekennende homosexuelle Pfarrer Tim Lahr der evangelischen Gemeinde Köln hatte ebenfalls ausdrücklich zur Teilnahme am Kölner CSD aufgerufen. Am Sonntag haben dort Zehntausende Menschen zu Fuß und auf über 200 Festwagen an der Christopher-Street-Day-Parade teilgenommen. Unter dem Motto "Für Menschenrechte. Viele. Gemeinsam. Stark" demonstrierten sie auf der rund vier Kilometer langen Strecke für Toleranz, Menschenrechte und Sichtbarkeit von Homosexuellen und Transmenschen. Bereits an den Vortagen hatten in verschiedenen evangelischen Kirchen in Köln Gottesdienste zur "Cologne Pride" stattgefunden.