Junger Intensivpfleger mit Gottvertrauen

Jesse Steinchen
© privat
Jesse Steinchen lässt sich zum Pflegefachmann in der Pädiatrie ausbilden. Zusätzlich übt er auch noch ein Ehrenamt im Vorstand der Jugend in der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck aus. Im Interview spricht er darüber, wie ihn sein Glaube inspiriert.
Emotionaler Halt aus der Bibel
Junger Intensivpfleger mit Gottvertrauen
Jesse Steinchen ist Vorstandsvorsitzender der Jugend in der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck (EKKW) und beendet gerade seine Ausbildung zum Pflegefachmann in der Pädiatrie. Im Interview mit evangelisch.de spricht er über Gottvertrauen, Zeitmanagement im Ehrenamt und was ihm seine Arbeit in der Pflege bedeutet.

Evangelisch.de: Hallo, magst du dich für die Leser:innen vorstellen?

Jesse Steinchen:
Hallo. Ich bin Jesse Steinchen, 21 Jahre alt. Ich bin momentan in München und dort im letzten Ausbildungsdrittel zum Pflegefachmann mit Vertiefung "Pädiatrie", also Kinderheilkunde. Und so ganz nebenbei mache ich noch ein Ehrenamt und zwar in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) in der Jugendvertretung. Dort bin ich Vorstandsvorsitzender, mache viel Gremienarbeit und bin neben der Landes- auch auf der Bundesebene aktiv.

Du arbeitest also in Pflege. Warum hast du diesen Beruf ausgewählt?

Steinchen: Also eigentlich wollte ich Rettungssanitäter werden, aber das wollte meine Schule im Fachabitur damals nicht. Deswegen musste ich quasi in die Klinik und dort habe ich dann ein Jahrespraktikum in der Notaufnahme und auf der Intensiv verbracht. Da hat mir auf einmal jemand gezeigt, wie Pflegen funktioniert. Und das hat mich beeindruckt. Ich gehe jeden Tag mit Freude zur Arbeit und die Pädiatrie an sich sagt mir einfach unheimlich zu.

Dabei hat die Pflege gerade bei jungen Menschen kein gutes Image momentan. Was hat dich doch überzeugt? 


Steinchen: Für mich hat das einfach viele Facetten. Es ist auch viel selbstständige Einschätzung von Patienten und Krankheitsstadien: Wie geht es im Allgemeinzustand meinem Patienten? Was hat sich verändert? Geht es ihm besser? Oder auch schon durch ein Händehalten den Patienten was Gutes tun oder ihnen einfach die Kompetenz ausleihen, die gerade bei ihnen selbst fehlt. Denn nach jeder ausgeführten Tätigkeit besteht die Hoffnung darauf, dass der Patient das irgendwann demnächst wieder selbst kann. Da merke ich, dass die Pädiatrie - auch auf der Intensivstation - einfach noch mal schöner ist als bei den Erwachsenen, weil das Ergebnis meistens wirklich sehr positiv ist.

Welche Rolle spielt dein Glauben bei deiner Arbeit?

Steinchen: Ja, für mich ist das hier auf der Erde eigentlich so, dass wir unser Bestes geben. Und wenn jeder sein Bestes gibt, dann wird die Gesellschaft, die wir zusammen bauen einfacher und schöner. Und ich will eben auch meinen Teil dazu beitragen und wenn es dann dazu kommen sollte, dass es tatsächlich keine Heilung oder tatsächlich der Tod eintreten wird, dann ist das in keinem Fall schlimmer als das, was es hier auf Erden gibt. Es gibt einen Passus, der mich schon Ewigkeiten trägt: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin." Wenn wir uns da dran langhangeln, dann kann mir das auf lange Sicht auch Kraft schenken.

Ein Paulus-Wort. Dein emotionaler Halt ist in dem Fall dein Glaube und die Bibel?

Steinchen: Ja, vor allem aktiver, gelebter Glaube und auch der Austausch mit vielen Menschen darüber. Neben der Arbeit gibt es ja auch noch Freizeit und die möchte ich mit Leuten verbringen, die dabei sind, genau das zu entwickeln. Den Austausch finde ich beispielsweise auf der Bundesebene der evangelischen Jugend, aber natürlich auch auf landeskirchliche Ebene. Da findet man viel Austausch, der unheimlich schön ist und Kraft gibt. 

Jesse Steinchen in Aktion auf der Vollversammlung der EJHN.

Du bist in deiner Landeskirche, der EKKW, ziemlich bekannt. Wieso genau dieses Ehrenamt mit den vielen Gremien und den vielen Sitzungen? Wieso nicht lieber Arbeit in der Gemeinde vor Ort?

Steinchen: Während meines Fachabiturs habe ich schon festgestellt, dass ich auf jeden Fall in eine andere Region gehen werde, die vielleicht auch außerhalb meiner Landeskirche liegt. In der Zeit habe ich mir auch gedacht: Okay, mir macht das Spaß, was ich momentan so mache, aber jetzt muss es sich irgendwie in eine andere Richtung weiterentwickeln. Gleichzeitig gab es eben die Bundesebene und die Landesebene mit ganz vielen Gremien, die in der Zeit nicht besetzt waren. Also dachte ich mir: Wieso versuche ich nicht die Aufgaben, die da auf mich warten bestmöglich zu erfüllen, bis jemand anderes kommt, der sagt, ich habe da vielleicht mehr Bock oder ich kann das besser.

Machst du die Arbeit aus einer Passion heraus oder weil du es machen musst?

Steinchen: Natürlich gibt es die kleinen Momente, wo man sich so denkt: "Oh, jetzt überhaupt gar keine Lust." Aber der Austausch, der liegt mir eigentlich super am Herzen. Auch der Austausch mit unterschiedlichen Landeskirchen, Landesjugendverbänden oder Vereinen.

Im ersten Jahr, wo ich in den Sprecher:innen-Kreis gewählt worden bin, hatten wir ein Seminar zum Thema, wie man Burnout im Ehrenamt vermeidet. Grundsätzlich kannte ich zu dem Zeitpunkt Prioritäten nur aus der Einstufung von Patient:innen in der Notaufnahme. Alle Sachen, die ich machen wollte, habe ich zu dem Zeitpunkt gemacht, was zu dem Zeitpunkt eventuell auch schon etwas viel gewesen ist. Für mich ist das Ergebnis aus diesem Treffen unheimlich wichtig gewesen. Ich habe daraus eine Skala mitgenommen. Dabei stellt man sich alle Aufgaben vor und ordnet sie in dieser Skala ein, in den Känguru Chroniken wird es mit der Pralinen Skala verglichen. Wenn Pralinenessen zehn ist, dann ist alles andere weniger wert. Mir muss eine Aktivität also relativ viel geben, damit ich sie mache. Eigentlich eine sieben oder mehr, weil ich sage mit meiner begrenzten Zeit ist das leider so, dass ich nur ab sieben etwas machen kann. Alles, was darunter ist, delegiere ich an Menschen, für die es mindestens eine Sieben ist. 

Hast du noch weitere gute Tipps für Leute, die im Ehrenamt aktiv sind?

Steinchen: Schreibt einfach mal die Stunden auf, die ihr macht. Einfach mal zu wissen, wie viel Zeit geht tatsächlich ins Ehrenamt. Eine Woche aufschreiben und dann kann man sagen: Ja, okay, ich habe hier jetzt vielleicht noch einen ganzen vollen Job mit 38 oder 40 Stunden, dann ist das vielleicht ein bisschen viel. 40 Stunden in der Woche und Ehrenamt zu wuppen geht auf Dauer doch ganz schön auf die Knochen.

Was motiviert dich noch im Ehrenamt?

Steinchen: Allein der Faktor, dass ich mit meinem Ehrenamt meinen Glauben auch weiter festige, ist für mich ein Feedback. Wie ich aktiv glauben kann und dadurch auch in meinem Job mich halt einfach auch weiterentwickeln kann. Also das eine, wo man Arbeit reinsteckt, kriegt man durch Rückhalt und Resilienz irgendwie wieder zurück.

Und wo bekommst du deinen Input für deinen Glauben her?

Steinchen: Also ich mag literarische Texte oder Poetry Slams total. Wenn ich etwas Schönes höre, mache ich mir schon Gedanken darüber, inwiefern das für mich interessant ist oder inwiefern das auf mich und meinen Glauben zutrifft. Ebenso Songtexte. 

Wie bekommst du dieses Dreieck zwischen Beruf, Glaube und Ehrenamt unter einen Hut? 

Steinchen: Also ich denke, die Arbeit sorgt bei mir dafür, dass ich mich im Grunde genommen in meiner Freizeit damit beschäftigen muss oder möchte. Und wenn ich dann beispielsweise in meine aktive ehrenamtliche Tätigkeit gehe, denke ich natürlich meistens an die Sachen, die tatsächlich im Alltag schon passiert sind und gucke, ob ich da vielleicht was rausziehen kann, um das Ganze mir zu erklären oder zu vereinfachen.

Würdest du sagen, jung sein, Christ sein, engagiert sein und in der Pflege sein, das passt zusammen?

Steinchen: Es ist tatsächlich so, dass ich da einer von den wenigen bin. Aber ich denke, grundsätzlich glauben viele Menschen, auch viele junge Menschen, mit denen ich beispielsweise die Ausbildung zusammen beschreite, an irgendetwas oder an irgendjemanden. Und ich denke, dass ist auch etwas, das man in diesem Job auch einfach jemanden braucht. Sei es der Partner oder jemanden, mit dem man da oben reden kann, um über Gott und seine Welt zu sprechen.

Gibt es zum Abschluss noch etwas, das du loswerden willst?

Steinchen: In der Pflege gibt es momentan das große Problem des Fachkräftemangels. Man könnte die Pflege attraktiver zu machen. Das geht beispielsweise über eine aktive, funktionierende Lobby, aber die gibt es derzeit einfach nicht. 
Ich glaube, das kennt man in der Kirche und bei jungen Menschen auch. Eine wichtige Sache ist da wirklich den Kampf gegen die Widerstände nicht aufzugeben. Sei es im Lobbyverband mit den evangelischen Jugendlichen oder zu Forderungen der Attraktivitätssteigerung von Glauben und Gemeinschaft und Kirche. Oder sich eben auch für die Steigerung der Attraktivität in der Pflege einzusetzen. Da darf man einfach nicht aufgeben.
Die Zahlen für die Pfleger:innen in Deutschland aktuell sind erschütternd. 1,7 Millionen Menschen sind in Deutschland sind pflegerisch tätig, davon ist nur jede/r Zehnte in einer Gewerkschaft. Und ja, da sieht das in der evangelischen Kirche schon etwas besser aus.